Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
zusammen als Steuerleute auf einem Schiff gedient. Es ist mir eine besondere Ehre, Euch und Eure Kinder als Passagiere begrüßen zu dürfen.«
»Lieber Kapitän Decker, ich freue mich sehr auf diese Reise.«
»Der Steward ist jederzeit für Euch da. Falls Ihr besondere Wünsche wegen der Kinder habt, sagt es ruhig, unser Smutje wird sich darum kümmern.«
»Herzlichen Dank. Wann werden wir auslaufen?«
»Morgen mit der Flut werden wir in die Elbe geschleppt.«
Emilia nickte. »Werden wir in England anlegen?«
Decker schüttelte den Kopf.
»Dann hoffen wir mal, dass wir schnell durch den Kanal kommen«, sagte Emilia lächelnd.
»Das wäre unser aller Wunsch.« Decker nickte te Kloot zu. »Geht es Ihrer Frau besser?«
»Sie wird sich schon noch an das Geschaukel gewöhnen, zumal es ja noch gar nicht richtig losgegangen ist«, meinte er brummig.
»Ach, sie ist seekrank? Dagegen hilft ein Ingweraufguss. Ich bin mir sicher, dass der Smutje Euch so etwas zubereiten kann«, meinte Emilia.
»Ingwer hilft tatsächlich, Herr te Kloot. Ich lasse es Euch vom Steward bringen. Übrigens wird in einer Stunde das Essen aufgetragen.«
Das Essen war sehr schmackhaft, die Unterhaltung angenehm. Rieke und die Kinder aßen zusammen in der Kabine. Emilia lernte die beiden Steuerleute, Herrn Reisshoff und Herrn Wartmann, kennen und auch der letzte Passagier hatte an Bord gefunden – Doktor Geisler.
»Ein Arzt an Bord, das nenne ich einen Glücksfall«, sagte Kapitän Decker. »Auch wenn wir hoffen, dass wir Eure Künste nicht benötigen.«
»Dieser Beruf ist auch eine Berufung«, sagte Doktor Geisler sachlich. »Wenn ich benötigt werde, bin ich da.«
»Meine Frau leidet jetzt schon an der Seekrankheit«, erzählte te Kloot. »Sie hat vorhin einen Ingwertee getrunken, der ihr hoffentlich Linderung verschaffen wird.«
Doktor Geisler zog die Augenbrauen zusammen. »Wenn sie jetzt schon Beschwerden hat, deutet das eher auf ein nervöses Leiden als auf die Seekrankheit hin.«
»In dem Moment, als sie die Gangway betreten hat, fing es an.«
»Dann ist es vielleicht eher die Angst vor dem Ungewissen?«, fragteDoktor Geisler nach. »Habt Ihr Verwandtschaft in Sydney, zu der Ihr reist?«
»Mein Geschäftspartner ist dort und hat sich von den guten Möglichkeiten überzeugt. Er hat alles vorbereitet, wir fahren nicht in eine ungewisse Zukunft, deshalb glaube ich nicht, dass es sich um Ängste handelt.« Te Kloot schnaufte. »Sie ist ein zierliches Frauenzimmer und hat sich schon immer mehr Gedanken über alles gemacht, als nottat.«
»Ich habe Nerventropfen, die kann ich Euch geben. Das sollte Eurer Frau helfen.«
Sie plauderten noch über dies und jenes, doch Emilia verabschiedete sich bald. Sie ging zurück zu ihrer Kabine, blieb einen Moment an der Reling stehen und sah auf die Elbe hinaus. Das Schiff schwankte nur leicht, das Wasser platschte gegen die Bordwand, ein vertrautes Geräusch. Der Wind pfiff durch die Takelage und die Zeisinge knatterten. Sie öffnete die Tür zur Kabine. Rieke saß im warmen Schein der Petroleumlampe und lächelte, Lady hatte sich zu ihren Füßen eingerollt.
»Dat Essen war grandios! Die Deern ham ooch gefuttert un nun slapen se.«
»Fein.« Emilia nahm ihr Strickzeug und setzte sich in den zweiten Sessel. Durch das Fensterchen konnten sie auf den Hafen schauen. Überall brannten Lichter, und obwohl es schon spät war, herrschte noch hektische Betriebsamkeit.
»Morgen in aller Frühe geht es los.« Emilia seufzte. Sie freute sich, dass sie ihrem Ziel endlich näher kam, befürchtete aber auch, dass die Reise schwierig werden könnte. Te Kloot war ein unangenehmer und aufgeblasener Kerl. Wie wohl seine Frau sein mochte?
In dieser Nacht lag sie lange wach, zu viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Außerdem war es laut und unruhig auf dem Zwischendeck, wo sich die einfachen Passagiere noch einrichten mussten. Sie taten Emilia leid, und gleichzeitig war sie froh, dass ihr dieses Schicksal erspart blieb.
Sie hatte noch einige Zeilen an Carl geschrieben und würde sie amnächsten Morgen dem Lotsen mitgeben. Vielleicht, dachte sie und war plötzlich ganz glücklich, bin ich ja vor den Briefen bei ihm.
Früh am nächsten Morgen wurden die Leinen gelöst. Der Schlepper kam, mit einem Ruck zog er die »Sophie« vom Kai. Rieke und die Kinder schliefen fest. Schnell kleidete sich Emilia an und ging an Deck, die Hündin folgte ihr. Die Ausfahrt aus dem Hafen wollte sie auf keinen Fall verpassen.
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