Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Angespannt eher.«
»Verständlich. Aber er macht sich sehr gründlich mit allem vertraut.« Martin setzte sich seufzend. »Und um welche Tochter handelt es sich?« Dankend nahm er die Tasse, die seine Frau ihm reichte.
»Nur Frauengeschwätz«, winkte Emilia ab.
»Nun komm schon, Emma. Du neigst nicht gerade zum Tratsch. Geht es um Minnie?«
Emilia sah ihn schweigend an, nickte dann.
»Das habe ich mir gedacht«, sagte er. »Te Kloot hat einen Narren an ihr gefressen und ich, das muss ich gestehen, an ihm.«
»Wie meinst du das?«, fragte Emilia verwundert.
»Wir alle kennen Jean. Keiner von uns kann ihn wirklich leiden, mit seiner großspurigen Art. Wir alle mögen Antonie, und keiner von uns versteht, wie diese feine Frau es mit dem groben Klotz aushält, aber sie scheint ihn wahrhaftig zu lieben.«
»Und er wirft uns vor zu tratschen, Emma. Ist das die Möglichkeit?«, sagte Hanna amüsiert.
»Liebste, ich war mit meinen Ausführungen noch nicht fertig«, sagte Martin. »Also, Rudolph ist Jeans Bruder, und was läge näher, als auch ihn für einen groben Klotz zu halten? Dennoch täuscht ihr euch, Ladys. Rudolph ist ganz und gar nicht wie Jean. Er ist ein gewissenhafter, strebsamer Mensch. Er möchte Land erwerben und bewirtschaften. Und das wird er auch tun, so, wie ich ihn einschätze.«
»Ein Bauer«, seufzte Emilia.
»Nein, ein Landwirt. Er hat ein Studium absolviert und sich intensiv mit verschiedenen Möglichkeiten der Landwirtschaft auseinandergesetzt. Er will Wein anbauen.«
»Weintrauben? Davon allein kann man nicht leben. Da kann man ja nur zwei Monate im Jahr den Markt beschicken.«
»Hanna, meine Liebe, das ist wohl wahr. Aber er will den Wein keltern.« Martin lehnte sich zufrieden zurück. »Er will die erste australische Domäne aufbauen, australischen Chardonnay. Und es spricht vieles dafür, dass er damit Erfolg haben könnte. Das Land nördlich von hier hat guten, dunklen Boden, ideal für die Reben. Es ist sonnig und trocken, so dass die Früchte genügend Süße entwickeln können. Es hat Zukunft. Auch unsere Weinstöcke hängen voller Trauben, ich habe schon überlegt, ob wir nicht keltern sollten, aber mit der Herstellung von Alkohol habe ich mich noch nicht genügend befasst.«
Es war ein angenehmer Nachmittag. Sie redeten über dies und das, genossen das schöne Wetter und das gute Essen, welches Hanna servieren ließ. In der Gärtnerei gab es Schafe und Ziegen, die das Gestrüpp zwischen den Obstbäumen kurz hielten, Pferde und Federvieh aller Art. Die Kinder liebten es, auf der Plantage Verstecken zuspielen, von den süßen Früchten zu naschen und die Tierkinder zu streicheln.
Minnie spazierte gedankenverloren durch den großen Nutzgarten. Kohl wuchs hier und Möhren, es gab ein großes Feld mit Kartoffeln. Erbsen und Bohnen rankten an hohen Stangen empor. Sie liebte diesen Teil der Gärtnerei. Die Obstbäume trugen jedes Jahr ihre Früchte, sie mussten nur beschnitten und gedüngt werden, doch das Gemüse musste man aussäen und die Setzlinge sorgsam pflegen, so dass sie tüchtig wuchsen, um schließlich geerntet zu werden.
Rudolph hatte sie nicht gesehen und sie war auch nicht auf der Suche nach ihm, redete sie sich ein. Es war schon Mitte Januar, im Februar begann meist eine Zeit mit viel Regen hier an der Küste. Dann kamen schon der Herbst und der Winter. Es wurde kalt, und obwohl es selten Frost gab, war es meist sehr ungemütlich. Einen Winter, wie er in Deutschland vorherrschte und von dem ihre Eltern berichteten, konnte Minnie sich aber nicht vorstellen. Sie hatte Schnee auf Berggipfeln gesehen, aber noch nie von nahem. Eis wurde in großen Stücken von der Antarktis herangeschleppt und in Kühlhäusern und Erdkellern gelagert.
Sie hatte nicht den Drang, andere Länder zu sehen und Abenteuer zu erleben. Sie war sehr erdverbunden. Sydney war ihre Heimat und hier fühlte sie sich wohl.
Ich werde in diesem Jahr dreiundzwanzig, dachte sie unglücklich. Ich möchte nicht für immer bei meinen Eltern wohnen, auch wenn ich meine Mutter von Herzen liebe. Ihr Gehalt reichte nicht, um sich eine eigene Bleibe zu suchen. Oder wenn, dann nur in Gegenden, wo sie nicht sicher leben konnte. Außerdem hätte sie ein schlechtes Gewissen ihrer Mutter gegenüber gehabt.
»Fräulein Lessing?«, hörte sie auf einmal jemanden erstaunt sagen.
Sie fuhr herum und erblickte Rudolph. Hemdsärmelig stand er da, trug einen Korb mit etwas, das wie Erde aussah, aber entsetzlich
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