Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
auf ihrem Stuhl unruhig hin und her. »Wir müssen gleich aufbrechen, sonst erwischen wir den letzten Zug nicht mehr. Minnie, hol die Mädchen.«
Minnie stand auf und ging zu den Ställen. Kaum war sie außer Hörweite, fasste Hanna Emilia am Arm.
»Du glaubst doch nicht, dass ich dich jetzt so einfach gehen lasse? Ihr bleibt natürlich auch zum Essen. Ich habe euch doch schon längst eingeplant und alles vorbereiten lassen. Außerdem möchte ich, dass du den jungen Mann triffst und dir selbst ein Urteil bildest.«
»Aber der Zug …«, warf Emilia ein.
»Papperlapapp, ihr fahrt mit der Kutsche nach Hause.« Sie ließ deutlich durchblicken, dass sie keine Widerworte duldete.
Emilia lachte. »So, so. Du willst also ein Urteil von mir.«
»Nein, eigentlich will ich, dass du ihn kennenlernst, bevor sich bei dir zu viele Vorurteile festgesetzt haben. Schau ihn dir an und vergiss für einen Moment, dass er Jeans Bruder ist.«
»Nun gut.«
Nur wenig später kam Minnie mit den Mädchen zum Haus zurück. Die Kinder lachten und kreischten, spielten Fangen.
Emilia schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Was, um Himmels willen, hat Lina denn gemacht? Den Mist durchwühlt? Da hilft aber bloßes Händewaschen nicht. Hannah und May, klopft eure Kleider gut aus, bevor ihr ins Haus geht! Beeilt euch, es gibt gleich Essen.«
»Ich dachte, wir fahren nach Hause, Mama«, sagte Minnie erstaunt.
Hanna lachte. »Akala soll etwas zum Anziehen von Millie raussuchen. Ich habe noch etliche Kleidungsstücke, die ihr zu klein sind und die du sowieso für Lina haben kannst.«
Minnie ging mit den Mädchen ins Badezimmer der Familie undstaunte wieder einmal über die Pracht, die hinter der schlichten Fassade des Hauses herrschte. Es gab eine Emaillewanne und fließendes Wasser aus den Kränen am Waschbecken, das aus einem großen Auffangbecken auf Stelzen gespeist wurde, welches im Hof stand. Es war eine ganz neue Technik, die Onkel Martin sehr schätzte. Der Wassertank war höher als das Haus und wurde mit Regen oder Süßwasser aus dem Fluss gefüllt, und somit war Druck auf den Leitungen. Es gab einen Holzofen, durch den die Leitungen aus Messing liefen, so dass man das Wasser direkt erhitzen konnte. So etwas, dachte Minnie seufzend, während sie Lina beim Waschen und Umkleiden half, hätte ich auch gerne. Sie hatten in Glebe nur einen Brunnen, Krüge und Schüsseln, mussten das Badewasser mühsam im großen Kessel auf dem Hof erhitzen.
Als sie, rotwangig und sauber geschrubbt, Lina sogar neu eingekleidet, auf die breite Veranda zurückkamen, war dort schon ein großer Tisch bereitgestellt und eingedeckt worden. Sie brauchten nur noch Platz zu nehmen.
»Du kommst zu mir«, sagte Emilia zu Lina und klopfte auf den Stuhl an ihrer rechten Seite. Das Mädchen gähnte herzhaft und kletterte dann auf den Stuhl, ihre müden Augen drohten schon, zuzufallen.
Onkel Martin kehrte aus der Plantage zurück, brachte frische Bananen und Mandarinen, die ersten reifen Pfirsiche und Pflaumen mit. Er nickte Hanna zufrieden zu.
Das Mädchen trug die Vorspeise auf – eine klare Brühe mit Einlagen, dazu ein Salatbouquet aus dem Garten. Ein Platz am Tisch war noch frei. In dem Moment kam Rudolph herbeigeeilt. Er blieb am Fuße der Veranda stehen, schaute beklommen nach oben.
»Nun kommt, te Kloot«, rief Martin. »Wir warten schon auf Euch.«
Er hatte sich gewaschen und umgezogen. Seine Hände und das Gesicht glänzten rosig, so, als hätte er die Haut ordentlich mit Seifenwasser geschrubbt. Sein gepflegter Vollbart schien noch feucht zu sein.
»Ihr habt Besuch«, sagte te Kloot leise. »Da will ich nicht stören.«
»Die Lessings gehören quasi zur Familie«, meinte Martin gutgelaunt und stand auf. »Nun ziert Euch nicht, Ihr seid doch kein Mädchen.« Er nahm Rudolph am Ellbogen und wies ihn zu seinem Platz. »Dies ist Frau Lessing, ihre Tochter Minnie kennt ihr ja schon, und das sind Lina, May und Hannah. Das ist nur die eine Hälfte der Lessingsprösslinge.« Er lachte fröhlich.
Rudolph verbeugte sich vor Emilia, nickte den anderen zu und nahm dann Platz. Zuerst hielt er den Kopf gesenkt und beteiligte sich nicht an den Gesprächen, aber Martin Vollmers laute und lustige Art lockerte die Runde schnell auf. Es gelang ihm, Rudolph in ein Gespräch zu ziehen, und schon bald unterhielten sich alle angeregt.
Lina war nach kurzer Zeit auf ihrem Stuhl eingeschlafen und Minnie hatte sie in Millies Zimmer gebracht.
»Du kannst morgen hier in
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