Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
Vom Netzwerk:
›danke‹.«
    »Ich weiß.«
    Der Gast kam etwas später. Er sah ganz frisch und munter aus, während Inken und das andere Personal erschöpft wirkten. Sie hatten bis zum frühen Morgen aufgeräumt, gespült und die Sachen in den Schränken verstaut.
    »Hab Ihr wohl geruht?«, fragte Vater den Gast.
    »Oh, ich habe hervorragend geschlafen. Die frische Landluft ist wirklich erholsam.«
    Emilia riss die Augen auf. Der Mann sprach seltsam, seine Stimme hatte einen merkwürdigen Klang.
    Brav gab sie ihm die Hand und knickste. »Guten Morgen.«
    »Ah, die kleine Lady. Bezaubernd.«
    Das Frühstück wurde aufgetragen. Es gab mehr als sonst und auch eine größere Auswahl. Inken hatte einen Topf der kostbaren Leberwurst,die sie im Herbst immer kochte, hervorgeholt. Eier waren gekocht und gebraten worden, das Brot dampfte, es gab süße Butter, Marmelade, Schinken und einiges mehr. Emilia konnte sich kaum sattsehen an der ganzen Pracht. Sie hob die Hand, um nach einer Scheibe Brot zu greifen, sah dann aber den warnenden Blick der Mutter. Erst nahm sich der Gast, dann die Familie. Emilia war an letzter Stelle, sie musste warten.
    Herr Lindley trank genüsslich seinen Kaffee und ließ sich noch einmal nachschenken.
    »Ich habe über Eure Worte nachgedacht«, sagte Martin, er klang nachdenklich. »Ihr glaubt wirklich, dass der Handel sich immer mehr ausweiten wird?«
    »Natürlich. Je mehr wir von der Welt entdecken und erobern, umso mehr Handel wird es geben. Exotische Hölzer, Reis, Zucker, Tee – das ist doch aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.«
    »Damit haben Sie unbestritten recht.« Onkel Hinrich lehnte sich zurück und lächelte zufrieden. »Deshalb sollten wir auch bei unserer Entscheidung bleiben und unser Geschäft dahin gehend ausdehnen.«
    »Das ist eine gute Entscheidung.« Wieder hielt Lindley die Kaffeetasse hoch, Inge schenkte ihm nach.
    »Lieber Herr Lindley«, sagte Anna freundlich, »möchten Sie gar nicht zugreifen? Es ist alles ganz frisch.«
    »Oh, nein. Ich frühstücke nie. Aber bitte lassen Sie sich nicht davon abhalten zuzugreifen.«
    Ihr Vater schien über diese Aussage erleichtert zu sein, wie Emilia feststellte. Er nahm sich reichlich.
    Endlich war auch sie an der Reihe. Ihr Magen knurrte schon laut. Aber was sollte sie nehmen? Die leckere Leberwurst oder lieber die köstliche Marmelade? Ein gekochtes Ei oder Spiegelei? Sie schaute zu ihrer Mutter. Anna hatte sich von mehreren Sachen kleine Portionen genommen.
    Das mache ich auch so, dachte Emilia zufrieden, von jedem ein bisschen.
    Wäre der Gast nicht gewesen, so hätten sie nur einen kleinen Imbisszu sich genommen und wären dann nach Ottensen in die Kirche zum Frühgottesdienst gefahren. Die Familie in der Kutsche, das Personal auf dem Karren.
    Jetzt würden sie den mittäglichen Gottesdienst besuchen. Eilig räumten Inken und Inge den Tisch ab, während Ole, Mats und Gregor die Kutschen aus der Remise holten und die Pferde anspannten. Immer wieder schauten sie besorgt zum Himmel. Es hatte sich noch weiter zugezogen, ein bedrohlich wirkender, gelblich grauer Himmel hing so tief über ihnen, dass Emilia dachte, er würde am Dach hängenbleiben. Dann wurde es dunkel. Es ging ganz schnell und ein heftiger Wind kam auf. Die Pferde wieherten erschrocken, eines bäumte sich sogar auf.
    Dicke Regentropfen platschten auf das Pflaster des Hofes, der Regen wurde immer heftiger, die Luft kalt.
    Hinrich stand kopfschüttelnd in der Eingangstür. »Das wird ein Unwetter. Schnell, bringt die Pferde zurück in den Stall, die Kutschen in die Remise.«
    Sie schafften es gerade noch, bevor der Hagel über sie hereinbrach wie eine der sieben Plagen. Hagelkörner, so groß wie Murmeln, schlugen auf das Dach ein. Der Rasen vor dem Haus wurde weiß. Inge schrie erschrocken auf und versteckte sich in der Küche.
    »Die Läden«, rief Anna, »schließt die Fensterläden.«
    Es war unheimlich, in der dunklen Stube zu sitzen. Die Kerzen flackerten im Luftzug und draußen schienen tausend Hämmer gegen die Läden und Wände zu klopfen.
    Doch der Spuk war schnell vorbei, bald regnete es nur noch. Schließlich hörte auch der Regen auf und die Vögel zwitscherten wieder in den Bäumen.
    »Um Himmels willen«, rief Anna aus, als sie die Läden wieder öffneten. Der schöne Rasen vor dem Haus war bedeckt mit Blättern und Zweigen. Als hätte ein Riese sie von den Bäumen abgerissen und achtlos auf den Boden geschmissen. Dazwischen glitzerten die Eiskugeln in der

Weitere Kostenlose Bücher