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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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hier zu Hause. Du kannst die Werft leiten und Hinrich kann die anderen Geschäfte führen. Schließlich war es seine Idee.«
    »Anna, er möchte, dass ich das übernehme. Und zudem hat er ein besseres Händchen für die Werft als ich, das weißt du doch. Sobald alles gut läuft, kommen wir wieder zurück. Es geht doch nur darum, alles aufzubauen und die passenden Agenten zu finden. Dafür muss man vor Ort sein. Wenn ich Order per Post nach England gebe und das Wetter nicht mitspielt, sind die Briefe wochenlang auf See. Es wird zu unserem Vorteil sein, glaube mir. Ich werde diesen Teil des Geschäftes einrichten und mir eine Reputation aufbauen. Dann stehe ich endlich nicht mehr im Schatten meines Bruders.«
    »Täubchen?« Inken kam den Flur entlang. »Was machst du denn hier? Möchtest du mir helfen? Ich will Plätzchen backen.«
    Schweigend folgte das Mädchen der Magd. Es duftete köstlich nach Braten und Honigkuchen in der Küche, doch Emilia war in Gedanken immer noch bei den Worten ihrer Eltern. Sie hatten sehr ernst geklungen. Was hatte das Ganze zu bedeuten? Wohin wollte Mutter nicht? Emilia sah sich in der Küche um. Inken und Dörte wirkten nicht beunruhigt und auch nicht anders als sonst. Nichts deutete aufeinen Aufbruch hin. Vater war doch gerade erst wiedergekommen, seine Koffer noch nicht einmal ausgepackt.
    »Magst du?« Inken reichte ihr noch warmes Mandelgebäck. »Aber verrate nicht, dass du schon naschen durftest.« Sie zwinkerte ihr zu.
    Die Stube wurde geschmückt, der Baum aufgestellt. Emilia beobachtete ihre Eltern genau, doch sie konnte keine Verstimmungen mehr erkennen, auch wenn ihre Mutter stiller war als sonst.
    Onkel Hinrich und Tante Minna kehrten aus der Stadt zurück. In ihrem Gepäck befanden sich viele Schachteln und Pakete, die Emilia gespannt betrachtete. Ob dort auch ein Geschenk für sie dabei war? Sie wünschte sich eine feine Feder, Papier und Tinte, denn Schreiben machte ihr Spaß. Schon längst war sie besser als die Dorfkinder. Doch diese verbrachten auch nicht so viel Zeit damit, zu lernen und zu üben. Mette und die anderen Mädchen mussten in Haus, Garten und auf den Feldern helfen. Die Jungen hatten bei der Wirtschaft mit anzufassen.
    Es wurde ein schönes Fest mit reichlich gutem Essen und vielen Geschenken.
    Mutter schenkte Emilia eigenes Briefpapier.
    »Aber wem soll ich denn schreiben?«, wunderte Emilia sich. Wie eine Wolke zog Traurigkeit über Mutters Gesicht. Sie strich Emilia über den Kopf. »Das kann man nie wissen«, sagte sie leise.
    Julius hatte ein Schaukelpferd bekommen, ein feines weißes mit einem Ledersattel und Lederzügeln. Emilia biss sich auf die Lippe. So eines hatte sie sich immer gewünscht, doch nun war sie zu groß dafür.
    Tante Minna hatte ihr einen neuen Stickrahmen und zwei Bücher mit Versen und Gedichten geschenkt.
    »Noch kannst du es nicht lesen, aber bald, mein Kind«, sagte sie.
    Die Familie fuhr zur Mitternachtsmette nach Ottensen. Emilia blieb mit Inge zu Hause. Es war schon spät, aber sie durfte helfen, alle Kerzen zu löschen, bevor Inge sie ins Bett schickte.
    »Bist du zufrieden mit dem Weihnachtsfest?«, fragte die Dienstmagd. Emilia nickte und drückte die neue Puppe an sich, die sie bekommenhatte. Im April würde Emilia acht Jahre alt werden und allmählich war sie zu alt, um mit Puppen zu spielen, dachte sie. Doch heute noch nicht.
    Zu ihrem Geburtstag nahm Tante Minna Emilia mit in die Stadt. »Wir machen uns zwei schöne Tage«, sagte die Tante. »Und ich zeige dir unser neues Haus. Bald ist es fertig.«
    Staunend saß Emilia in der Kutsche, als sie durch die Straßen fuhren. Sie erkannte die Stadt kaum wieder. Überall wurde gegraben, aufgeschüttet und gebaut.
    Die Kutsche blieb in einer Häuserzeile stehen, in der prächtige Bauten errichtet wurden. Die Fenster hatten Rundbögen, Stufen führten in die Häuser, manche Eingangstüren wurden von Säulen geschmückt.
    »Komm.« Tante Minna nahm Emilia an die Hand. »Hier werden wir wohnen.« Sie führte das Kind in eins der Häuser. Die Diele war mit Steinplatten ausgelegt, geschnitzte Säulen stützten Treppe und Galerie. Die Diele war sehr groß und Emilia sah sich staunend um.
    »Gefällt es dir? Wir werden nach vorn heraus wohnen. Unten sind die Küche und die Wirtschaftszimmer. Hinten ist das Kontor von deinem Onkel und oben und im Hinterhaus befinden sich Speicher.«
    Emilia schüttelte den Kopf, alles war so fremd und anders, die Räume größer und höher als in

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