Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Standesunterschied.«
»Ja, aber wenn der Mann höhergestellt ist als die Frau, dann ist das nicht so schlimm. Er muss schließlich für sie sorgen, Emma. Und das macht deinem Carl ja auch so zu schaffen. Er wird dir nie das bieten können, was du jetzt hast.«
Emilia seufzte. »Ja, ich weiß. Aber jetzt hör mir doch erst mal zu. Es geht hin und her, der Prinz lässt ihren Verlobten ermorden. Emilia selbst will nicht zum Spielball werden und bringt ihren Vater dazu, sie zu erstechen. Ich will so nicht enden, als Spielball meines Onkels, er ist wie der Prinz.«
Inken sah sie entsetzt an. »Dein Onkel will dich als Geliebte?«
»Nein, Inken, nein. Er will mich bloß benutzen, will seine Macht ausüben, mich verheiraten für seine Zwecke. Das kann ich nicht zulassen.«
»Aber du liebst Lessing nicht nur aus Trotz?«, fragte Inken leise.
Emilia lehnte sich zurück. »Darüber muss ich nachdenken. Nein, nein. Nein, ich liebe Carl von Herzen. Schon als ich ihn zum ersten Mal im Haus meines Onkels gesehen habe, war da etwas zwischen uns. Wie eine Seelenverwandtschaft, ein Band. Wir verstehen uns, wir können miteinander reden und …«, sie senkte den Kopf, »er küsst so gut«, flüsterte sie dann.
»Emma!« Bevor Inken schimpfen konnte, kamen Tine und Katja in die Küche. Sie trugen die Kästen mit den Milchkannen.
»Wir haben auch Sahne und Butter mitgebracht«, sagte Katja und sah Emilia an. Emilia grinste und Katja seufzte erleichtert auf. »Wenn jetzt alles gut ist, gehe ich zurück und helfe meiner Schwester. Morgen komme ich wieder, die Wäsche fertigmachen.«
»Kannst du mangeln und plätten, Tine?«, wollte Inken wissen.
»Ja doch.« Das Mädchen schien fast beleidigt. »Das hab ich alles gut gelernt.«
»Wunderbar. Dann brauchst du morgen nicht zu kommen, Katja. Ich lasse dich rufen, wenn wir Hilfe brauchen.«
Es war wie eine kleine Verschwörung unter den Frauen gegen Tine. Sie sahen einander lächelnd an. Tine schien das zum Glück nicht mitzubekommen.
»In Hamburg wird uns die Milch geliefert«, seufzte sie. »Mit einem Karren. Schleppen müssen wir nicht.«
»Wir sind hier nicht in Hamburg«, sagte Inken streng. »Du kannst mir helfen, die Wäsche zu mangeln. Morgen werden wir sie plätten. Aber erst gibt es einen Happen zu essen.«
Emilia hatte keinen Hunger, sie ging nach oben, setzte sich an das Mansardenfenster und schaute über die Deichkrone. Die Elbe konnte sie von hier aus nicht sehen, aber hören. Sie wog all die Gedanken, die sie beschäftigten, ab. Warum hatte sie sich in Lessing verliebt? Gab es auf diese Frage eine Antwort? War es vielleicht wirklich nur Trotz?
Nein, dachte sie. Ich habe es versucht. Ich hatte den Kontakt zu ihm abgebrochen und viel mit den anderen Bewerbern unternommen. Sie hatte sich wirklich bemüht, Gefühle für den einen oder anderen zu entwickeln. Amsinck war so jemand, mit dem sie sich hatte austauschen können, den sie wirklich gerne mochte, mit dem sie auch hatte lachen können. Aber wenn sie die Briefe las, die sie von Amsinck bekam, oder bei den Treffen hatte ihr Herz nie so gepocht. Sie mochte ihn, aber sie musste nicht ständig an ihn denken.
Lachen, dachte sie, war so wichtig im Leben. Und über so manche Zeile in Carls Briefen hatte sie herzhaft gelacht. Aber geschriebeneWorte waren immer noch etwas anderes als gelebtes Leben. Gemeinsam mit ihm – jetzt war es nur ein Traum, aber möglicherweise ein Traum, der bald in Erfüllung gehen würde.
Sie dachte über das nach, was sie hatte und aufgeben müsste, und das, was sie bekäme. Die Zukunft lag wie im Nebel, nicht greifbar, nicht vorstellbar, einfach, weil sie nicht wusste, was sie erwartete.
Am nächsten Morgen bat sie Inken um Leckereien für Mettes Kinder und machte sich wieder auf zum Hof der Jörgensens. Sie brauchte Antworten auf viele Fragen. Zuallererst über praktische Dinge.
»Kannst du mir bitte erklären«, wollte sie wissen, »wie du es schaffst, dich allein anzuziehen?«
Mette lachte. »Das meinst du nicht ernst?«
Doch Emilia nickte. »Ich weiß es nicht. Von früh an wurde mir geholfen. Ja, ich kann die Haken und Ösen schließen, wenn sie vorn sind, kann Schleifen binden. Aber meine Kleider sind so geschnitten, dass mir jemand helfen muss. Es war bisher auch immer jemand da.« Emilia verzog das Gesicht.
Mette sah sie prüfend an. »Du bist viel schlanker als ich, aber wir haben die gleiche Größe. Komm mit.«
»So viel schlanker bin ich sicher nicht, ich bin nur fester
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