Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Emilia auf den Weg nach Hause. Kapitänsfrau, zusammen mit Carl auf hoher See, was für ein wundervoller Gedanke. Sie war sich nur nicht ganz sicher, ob Carl das ebenso sah. Sie kam aus gutem Hause und sein Bestreben war es, ihr ein ebenbürtiges Leben bieten zu können. Wie konnte sie ihm klarmachen, dass ihr nichts daran lag?
Früher, vor dem großen Brand, hatte sie mit ihren Eltern viel schlichter in Othmarschen gelebt. Sie hatte fast nur glückliche Erinnerungen an diese Tage. Das alles änderte sich, als Onkel und Tante hierherzogen und ihren Lebensstil mitbrachten.
Inken sah ihr erwartungsvoll entgegen. Die weiße Wäsche dampfte im Hof. Der Tag war kalt, aber klar und trocken.
»Ich will alles wissen«, wisperte Inken. »Katja sagte, dass er selbst gekommen ist.«
Emilia nickte, dann schaute sie sich um. »Wo ist Tine?«
»Ich habe sie mit Katja zum Röperhof geschickt, Milch holen. Sie werden sicher noch eine Stunde unterwegs sein.« Sie grinste verschwörerisch.
Emilia setzte sich auf die vertraute Küchenbank und berichtete Inken von ihren Überlegungen.
»Eigentlich wird dir irgendwann das Gut hier gehören. Dein Onkel wurde ausbezahlt, weil er in Hamburg bauen wollte. Aber wie das rechtlich aussieht, weiß ich natürlich nicht.« Inken zog die Stirn kraus.
»Selbst wenn. Ich möchte nicht Monat um Monat warten, bis Carl endlich wieder in Hamburg anlegt. Ich will mein Leben gemeinsam mit ihm verbringen. Briefe sind kein Ersatz für Gespräche.«
»Bist du dir sicher, dass du weißt, was du dir da wünschst?«
Emilia starrte in das Feuer des Ofens. Das Wasser im Kessel kochte und Inken stand auf, um Tee aufzuschütten.
»Ich wünsche mir«, sagte Emilia leise, »nichts sehnlicher, als mit dem Mann, den ich liebe, zusammen zu sein. Mit ihm zu leben. Er ist nun mal Kapitän, deshalb lebt er auf seinem Schiff. Wie es sein wird, auf einem Schiff zu leben, das kann ich mir nur ausmalen. Aber Mette sagte, dass einige Kapitänsfrauen ihre Männer begleiten, warum dann nicht auch ich?«
»Weil es Frauen von einem anderen Schlag sind«, sagte Inken leise. »Frauen wie Mette oder ich. Wir kennen das Leben und die harte Arbeit, haben nie Zofen gehabt oder Zimmermädchen. Wir brauchen keine Hilfe beim Anziehen. Mal eine Schleife oder ein paar Knöpfe vielleicht, aber wir tragen keine Mieder, die im Rücken geschnürt werden, und haben keine Wespentaillen. Krinolinen stelle ich mir auch sehr unpraktisch auf einem Schiff vor.«
»Ja, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich brauche diesen Pomp nicht. Ich habe nur keine Mieder, die vorn geknöpft oder geschnürt werden. Ich habe keine Kleider ohne Reifrock, abgesehen von ein paar Sommerkleidern.«
Inken lachte. »Das kann man ändern. Ich meinte eigentlich auch eher, die Art zu leben.«
»Inken, du sagst, du liebst Mats auf deine Art. Ihr seid zufrieden miteinander, glücklich. Würdest du lieber so leben wie ich und unglücklich sein? Einen Mann heiraten, der für die Familie wichtig ist und das Geschäft belebt, den du aber nicht magst?«
Inken schüttelte den Kopf. »Ich würde schon gerne einige Dinge haben, die du hast. Jemanden, der mir das Wasser kocht und die Eimer ins Bad trägt, der den Nachttopf leert und meine Wäsche wäscht. Sich an den Tisch zu setzen und zu essen, ohne vorher Stunden in der Küche gestanden zu haben, ja, das stelle ich mir schön vor.« Sie lächelte. »Aber mit einem Mann verheiratet zu sein, den ich eigentlich nicht mag, das würde ich dafür nicht in Kauf nehmen.« Sie sah Emilia an. »Aber in deinem Stand gibt es viele Ehen, die aus gesellschaftlichen oder geschäftlichen Gründen geschlossen wurden. Dein Onkelund deine Tante haben deshalb geheiratet. Sie erscheinen mir nicht unglücklich.«
Emilia verzog das Gesicht. »Möglich. Aber vielleicht geht das nur, wenn man sein Herz nicht schon verschenkt hat. Kennst du das Buch ›Emilia Galotti‹? Carls Großonkel hat es geschrieben.«
Inken lachte laut auf. »Ich kann zwar lesen, aber Zeit für Bücher habe ich nicht. Der Onkel von deinem Carl schreibt also?«
»Es ist der Großonkel, er ist schon tot. Ich habe es jetzt zum zweiten Mal gelesen, auch weil die Hauptfigur ja meinen Namen trägt. In dem Buch geht es um eine junge Frau, eine Emilia.«
»Das überrascht mich jetzt«, sagte Inken und grinste.
»Ach Inken! Also, da ist dieser Prinz und der will Emilia unbedingt als Geliebte. Sie ist eine Bürgerliche, also gibt es da auch einen
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