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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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dürfen«, sage ich. »Ich möchte so gerne wissen, wie er aussieht.«
    Em beschreibt ihn genauer und erzählt uns Einzelheiten über Dalen, die sie von ihrem Mikrochip erfahren hat, aber ich bin zu abgelenkt, um viel mitzubekommen. Ich habe Angst, Xander verletzt zu haben. Ich wünschte, er würde mich ansehen oder meine Hand nehmen, aber er tut nichts von alldem.
    Als wir die Mensa verlassen, drückt Em meinen Arm. »Vielen Dank, dass du mir deine Puderdose geliehen hast. Ich glaube, es hat mir geholfen, dass ich mich an etwas festhalten konnte, verstehst du?«
    Ich nicke. Ich weiß, was sie meint.
    »Ky hat sie dir heute Morgen zurückgegeben, oder?«
    »Nein.« Ein eiskalter Schrecken durchfährt mich. Wo ist meine Puderdose? Warum hat Em sie nicht?
    »Hat er nicht?« Em wird blass.
    »Nein«, wiederhole ich. »Warum hat er sie überhaupt?«
    »Ich habe ihn nach dem Paarungsbankett im Zug getroffen. Er kam spät von der Arbeit nach Hause. Ich wollte, dass du deine Puderdose so schnell wie möglich zurückbekommst.« Em holt tief Luft. »Ich wusste, dass du Ky heute Morgen noch vor mir treffen würdest, wenn ihr zum Wandern geht, und ich konnte sie dir nicht mehr vorbeibringen, weil ich es sonst vielleicht nicht rechtzeitig vor der Sperrstunde nach Hause geschafft hätte.«
    »Das Wandern ist heute Morgen wegen des schlechten Wetters ausgefallen.«
    »Ach so.« Wandern ist die einzige Sommer-Freizeitaktivität, die bei schlechtem Wetter nicht durchgeführt werden kann. Em sieht aus, als wäre ihr ganz übel. »Da hätte ich auch dran denken können. Aber warum hat er nicht versucht, sie dir trotzdem irgendwie zu geben? Er weiß, wie wichtig sie für dich ist. Ich habe es ihm extra noch gesagt.«
    Eine gute Frage. Aber ich möchte nicht, dass Ems gute Laune dadurch getrübt wird. Sie soll sich jetzt keine Sorgen machen. »Bestimmt hat er sie bei Aida gelassen, damit sie sie meinem Vater oder meiner Mutter gibt«, sage ich und versuche, sorglos zu klingen. »Oder er gibt sie mir morgen beim Wandern.«
    »Keine Sorge«, sagt Xander und sieht mich endlich an. Mit seinen Worten überbrückt er den schmalen Graben, der sich zwischen uns aufgetan hat. »Du kannst dich auf Ky verlassen.«

KAPITEL 15

    A uf dem Weg zur Airtrain-Haltestelle am nächsten Morgen fühlt sich alles klarer und weniger schwer an. Die Kühle der Nacht hat bewirkt, was der gestrige Regen nicht geschafft hat: Die Luft ist frisch, wie ausgewechselt. Die Sonnenstrahlen, die durch die letzten Wolken blitzen, bringen die Vögel zum Singen, und mich bringen sie dazu, Licht in mich hineinzulassen.
    Ich weiß, ich bin nicht die Einzige, die so empfindet. Beim heutigen Wandern gesellt sich Ky zu mir an die Spitze der Gruppe, gerade als der Offizier sich an uns wendet. Ky drückt mir die Puderdose in die Hand. Ich spüre seine Hand und bilde mir ein, dass er mich eine Winzigkeit länger berührt als unbedingt notwendig.
    Ich stecke die Puderdose in meine Tasche.
Warum hier?
, frage ich mich, immer noch aufgeregt.
Warum hat er sie mir nicht zu Hause gegeben?
Ich bin froh, Em meine Puderdose geliehen zu haben, aber vor allem bin ich froh, sie wieder zurückzubekommen. Die Puderdose ist mein einziges Erinnerungsstück an meine Großeltern, und ich schwöre mir, sie nie wieder aus der Hand zu geben.
    Vielleicht will Ky ja zusammen mit mir wandern – aber nein, das will er nicht. Als der Offizier pfeift, marschiert Ky ohne zurückzublicken los, und sofort verliert mein neugewonnenes Hochgefühl ein wenig an Glanz.
    Ich halte mich an dem Gedanken fest, dass ich meine Puderdose wiederhabe.
Das eine kommt zurück.
    Ky wird vom Unterholz verschluckt.
    Und etwas anderes verschwindet.

    Drei Minuten später, als ich allein durch den Wald wandere, bemerke ich, dass Ky mir gar nicht meine Puderdose zurückgegeben hat. Es ist etwas anderes – ich merke es in dem Moment, als ich den Gegenstand aus der Tasche ziehe, um mich von seiner Unversehrtheit zu überzeugen. Das Ding sieht ähnlich aus: golden, mit einer Hülle, die man auf- und zuschnappen lassen kann, aber es ist definitiv nicht mein Artefakt.
    Innen sind Buchstaben angeordnet – N, O, S, W –, und in der Mitte dreht sich ein Pfeil. Er dreht sich hin und her, bis er am Ende immer wieder auf mich zeigt.
    Ich dachte, dass Aberrationen keinen Zugang zu Artefakten hätten, aber Ky ist offenbar eine Ausnahme. Hat er mir das Objekt absichtlich gegeben? Oder aus Versehen? Soll ich es ihm zurückgeben oder warten,

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