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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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bis er mich darauf anspricht?
    Es gibt eindeutig zu viele Geheimnisse in diesen Wäldern. Unwillkürlich muss ich lächeln, strahle wieder, bereit für die Sonne.

    »Sir? Sir? Lon ist gestürzt. Wir glauben, er hat sich verletzt!«
    Der Offizier flucht verhalten und sieht Ky und mich an. Wir sind neben dem Überbringer der Nachricht die Einzigen auf der Hügelkuppe. »Sie bleiben hier und registrieren, wer wann hier ankommt, okay?« Der Offizier gibt mir seinen Datenpod, und ehe ich etwas erwidern kann, verschwindet er mit dem Jungen zusammen im Wald.
    Ich überlege, ob ich Ky sagen soll, dass wir unsere Artefakte tauschen müssen, aber dann verwerfe ich die Idee. Aus irgendeinem Grund möchte ich den geheimnisvollen drehenden Pfeil in seinem Goldetui noch eine Weile behalten. Nur für ein, zwei Tage.
    »Was machst du da?«, frage ich ihn stattdessen. Mit einer Hand malt Ky Formen, Kurven und Linien ins Gras, die mir bekannt vorkommen.
    Seine blauen Augen blitzen mich an. »Ich schreibe.«
    Natürlich.
Deswegen sehen die Spuren vertraut aus. Er schreibt in einer altmodischen, geschwungenen Schrift, genau wie die Gravur auf meiner Puderdose. Ich habe schon öfter Beispiele davon gesehen, aber ich weiß nicht, wie man es macht. Keiner weiß das. Wir können nur tippen. Wir könnten natürlich versuchen, die Worte nachzustellen, aber womit? Wir besitzen keines der alten Werkzeuge, die man dafür benötigt.
    Doch als ich Ky beobachte, wird mir klar, dass man sich seine eigenen Werkzeuge erschaffen kann.
    »Wie hast du das gelernt?«, frage ich. Ich wage es nicht, mich neben ihn zu setzen, denn schließlich könnte jeden Moment jemand aus dem Wald kommen, den ich mit meinem Datenpod erfassen müsste. Deswegen stelle ich mich so dicht wie möglich zu ihm. Er verzieht das Gesicht, und ich bemerke, dass ich mitten in seinen Wörtern stehe. Ich trete einen Schritt zurück.
    Ky lächelt, antwortet mir aber nicht, sondern schreibt weiter.
    Das unterscheidet uns voneinander: Mein Leben besteht aus Sortieren, er weiß, wie man etwas erschafft. Er kann Wörter schreiben, wann immer er will. Er kann sie ins Gras malen, in den Sand schreiben, sie in einen Baum ritzen.
    »Niemand weiß, dass ich das kann«, sagt Ky. »Jetzt kenne ich ein Geheimnis von dir und du eines von mir.«
    »Nur eines?«, entgegne ich und denke dabei an den sich drehenden Pfeil im Goldgehäuse.
    Wieder lächelt Ky.
    In den großen, herunterhängenden Kelchen der Wildblumen haben sich Regentropfen von letzter Nacht angesammelt. Ich tauche meinen Finger in das Wasser und versuche, auf die glatte grüne Oberfläche eines der breiten Blätter zu schreiben. Es ist schwierig, und ich stelle mich ungeschickt an. Meine Hände sind es gewohnt, Symbole auf einem Bildschirm anzutippen, und nicht, kontrolliert geschwungene Linien zu ziehen. Und einen Pinsel habe ich seit der Grundschule nicht mehr in der Hand gehabt. Da das Wasser klar ist, kann ich meine Buchstaben nicht richtig erkennen, aber ich weiß, dass sie nicht richtig geformt sind.
    Ky tunkt seinen Finger in einen anderen Tropfen und schreibt ein glänzendes C auf das Blatt, gleichmäßig und elegant.
    »Kannst du mir das beibringen?«, frage ich.
    »Das darf ich nicht.«
    »Wir dürfen das alles hier nicht tun«, erinnere ich ihn. Aus den dichten Bäumen und dem Unterholz am Rande der Lichtung dringen Geräusche. Jemand nähert sich. Verzweifelt wünsche ich mir, ihm das Versprechen abringen zu können, mir das Schreiben beizubringen, bevor jemand auftaucht und der Moment vorüber ist. »Wir dürfen weder Gedichte lesen noch schreiben oder …« Ich halte inne. Wieder frage ich: »Kannst du es mir beibringen?«
    Ky antwortet nicht.
    Wir sind nicht mehr allein.
    Mehrere Wanderer haben die Kuppe erreicht, und aus dem schmerzlichen Wimmern, das aus dem Wald ertönt, schließe ich, dass der Offizier mit Lon ebenfalls im Anmarsch ist. Ich muss die Namen der Neuankömmlinge eingeben, deswegen entferne ich mich ein Stück von Ky. Als ich zurückblicke, sehe ich, wie er mit verschränkten Armen dasitzt und über die Hügel schaut.

    Es stellt sich heraus, dass Lon den Sturz überleben wird. Als der Offizier schließlich seinem wehleidigen Theater Einhalt geboten hat, wird deutlich, dass sich Lon lediglich den Knöchel verknackst hat. Trotzdem ermahnt uns der Offizier, beim Abstieg vorsichtig zu sein.
    Ich würde gerne gemeinsam mit Ky hinuntergehen, aber er hängt sich an den Offizier und macht sich nützlich, indem

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