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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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mit dem Pfeil in meine Hand rutscht. Ich stecke den Umschlag in die Tasche, nehme die Puderdose aus ihrem Fach und sehe mir die beiden Artefakte in meinen Händen an.
    Golden und schön. Unwillkürlich gerate ich in Versuchung, Xander meine Puderdose zu geben anstatt Kys rotierenden Pfeil, aber ich lege die Puderdose auf mein Bett und umschließe mit einer Hand Kys Artefakt. Meine Puderdose zu retten, wäre egoistisch. Damit würde ich nur ein
Ding
retten. Wenn ich dagegen Kys Artefakt rette, schütze ich uns beide vor unangenehmen Fragen und ihn davor, eine Anomalie zu werden. Und wie könnte ich zulassen, dass sie ihm das letzte Stück seines alten Lebens nehmen?
    Auch für Xander ist es sicherer. Da die Funktionäre nicht wissen, dass Kys Artefakt existiert, werden sie es hoffentlich auch nicht vermissen. Meine Puderdose ist schon erfasst und wird wie vorgesehen eingesammelt werden, daher werden sie sie nicht suchen oder sich fragen, ob ich sie jemand anderem gegeben habe.
    Ich renne über den Flur zurück und reiße die Haustür auf.
    »Xander, warte!«, rufe ich und versuche, fröhlich zu klingen. »Willst du mir keinen Gutenachtkuss geben?«
    Xander dreht sich um, mit einem offenen, natürlichen Gesichtsausdruck. Ich glaube nicht, dass irgendjemand anders das listige Funkeln in seinen Augen sehen würde, aber ich kenne ihn einfach zu gut.
    Ich springe die Stufen hinunter, und er streckt die Arme nach mir aus. Wir umarmen uns. Er legt seine Hände auf meinen unteren Rücken, ich meine hinter seinen Nacken. Mit einer Hand fahre ich unter seinen Hemdkragen und öffne die Faust. Das Artefakt rutscht seinen Rücken hinunter, und meine Handfläche liegt flach auf seiner warmen Haut. Wir sehen einander für einen Moment in die Augen, und dann beuge ich mich dicht zu seinem Ohr.
    »Mach es nicht auf«, flüstere ich Xander zu. »Und bewahre es nicht bei dir zu Hause auf. Vergrab oder verstecke es irgendwo. Es ist nicht das, was du glaubst.«
    Xander nickt.
    »Ich danke dir«, sage ich und küsse ihn ehrlich und innig auf den Mund. Obwohl mir klar ist, dass ich dabei bin, mich in Ky zu verlieben, ist es unmöglich, nicht auch Xander zu lieben – für all das, was er ist, und all das, was er tut.
    »Cassia!«, ruft mich Bram von der Eingangstreppe aus.
    Bram.
Auch er wird heute etwas verlieren. Als ich an Großvaters Uhr denke, steigt Wut in mir auf.
Müssen sie uns
alles
nehmen
?
    Xander löst sich aus meiner Umarmung. Er muss sich beeilen, wenn er das Artefakt verstecken will, ehe sie bei ihm zu Hause angekommen sind. »Bis bald«, sagt er lächelnd.
    »Bis bald«, rufe ich zurück.
    »Cassia!«, ruft Bram erneut mit ängstlicher Stimme. Ich blicke die Straße hinunter, sehe aber noch keine Funktionäre. Sie müssen noch immer in einem der Häuser zwischen unserem und Ems sein.
    »Hi, Bram«, sage ich leichthin. Es ist besser für uns alle, dass er nicht ahnt, was Xander und ich getan haben. »Wo ist …«
    »Sie nehmen uns die Artefakte weg«, sagt Bram ganz verzagt. »Papa haben sie auch zum Einsammeln abkommandiert.«
    Natürlich. Das hätte ich mir denken können. Sie brauchen jemanden wie ihn, der sagen kann, ob die Artefakte echt oder falsch sind. Eine neue Sorge erfüllt mich. Musste er unsere Artefakte vielleicht schon mitnehmen? Hat er behauptet, meines wäre verloren gegangen? Hat er für Bram oder mich gelogen? Wie viele dumme Fehler ist er bereit, für die, die er liebt, zu begehen?
    »Oh, nein!«, sage ich und tue so, als hörte ich das alles jetzt zum ersten Mal. Hoffentlich findet Bram nicht heraus, dass Em es mir schon früher erzählt hat. »Hat er unsere mitgenommen?«
    »Nein«, sagt Bram. »Niemand darf etwas von seiner eigenen Familie konfiszieren.«
    »Wusste er, dass das passieren würde?«
    »Nein. Als er den Terminalanruf erhalten hat, war er total geschockt. Aber er musste sich sofort melden. Er hat mir gesagt, ich solle auf die Funktionäre hören und mir keine Sorgen machen.«
    Ich habe das Bedürfnis, Bram in den Arm zu nehmen und ihn zu trösten, weil er kurz davor steht, etwas zu verlieren, etwas Wichtiges. Genau wie ich. Ich drücke meinen Bruder an mich, und zum ersten Mal seit Jahren hält auch er mich ganz fest, wie er es als kleiner Junge getan hat, als ich noch die große Schwester war, die er mehr als alles andere auf der Welt bewunderte. Ich wünsche mir, ich hätte seine Uhr gerettet. Aber die Funktionäre wissen von ihr. Ich versuche mir einzureden, dass ich nichts

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