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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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»Jedes Paar nimmt sich eine Tüte. Befestigen Sie die Markierungen an den Ästen von umgestürzten Bäumen, an besonders dichtem Gebüsch und so weiter. Später werden Landvermesser eine Strecke roden und einen befestigten Weg hinauf zum Gipfel anlegen.«
    Sie werden den Hügel asphaltieren. Gut, dass Großvater das nicht mehr erleben muss!
    »Was ist, wenn wir keine Bänder mehr haben?«, quengelt Lon. »Der Hügel ist seit Jahren nicht gerodet worden. Da sind überall Hindernisse! Genauso gut könnten wir jeden Baum markieren, dem wir begegnen.«
    »Wenn Ihnen die Stoffstreifen ausgehen, schichten Sie Steinhaufen auf«, erwidert der Offizier. Dann wendet er sich an Ky. »Wissen Sie, wie man einen Steinhaufen aufschichtet?«
    Nach einem kaum merklichen Zögern antwortet Ky: »Ja.«
    »Zeigen Sie es den anderen.«
    Ky sammelt einige Steine von der Erde auf und legt sie übereinander, die großen zuunterst, bis sie einen kleinen Turm bilden. Seine Bewegungen sind schnell und sicher, genauso, wie wenn er mir das Schreiben beibringt. Der Turm sieht wacklig aus, fällt aber nicht um.
    »Sehen Sie? Es ist ganz einfach«, sagt der Offizier. »Wenn Sie meine Pfeife hören, ist es Zeit, den Rückweg anzutreten. Und benutzen Sie diese Pfeife, falls Sie sich verirren.« Er händigt uns allen eine einfache Metalltrillerpfeife aus. »Es sollte aber nicht so schwer sein, den Rückweg zu finden. Gehen Sie einfach auf demselben Weg bergab, wie Sie bergauf gegangen sind.«
    Die kaum verhüllte Verachtung, die der Offizier uns entgegenbringt, hat mich bisher amüsiert. Heute kann ich ihn verstehen. Ich empfinde Widerwillen, wenn ich daran denke, wie wir schnell auf den kleinen Hügel steigen, sobald die Funktionäre es uns sagen. Wie wir sofort unsere wertvollsten Gegenstände abgeben, sobald sie es uns befehlen. Wie wir uns niemals, niemals wehren.

    Kaum haben wir die anderen weit genug hinter uns gelassen, dreht sich Ky zu mir und ich mich zu ihm. Im ersten Moment glaube ich, er will mich berühren. Ich spüre mehr als ich sehe, dass sich seine Hand leicht bewegt und dann wieder hinuntersinkt. Meine Enttäuschung ist noch größer als heute Morgen, als ich meinen Schrank öffnete und meine Puderdose nicht mehr in ihrem Fach liegen sah.
    »Geht es dir gut?«, fragt er. »Gestern Abend, als die Häuser durchsucht wurden – ich wusste nichts davon, ich habe es erst erfahren, als ich nach Hause kam.«
    »Mir geht es gut.«
    »Mein Artefakt …«
    Ist das alles, woran er denkt? Ich flüstere wütend: »Es ist in eurem Blumenbeet vergraben, unter den Neorosen. Grabe es aus, dann hast du es wieder.«
    »Das Artefakt ist mir egal«, erwidert er, und obwohl er mich immer noch nicht berührt, wärmt mich das Funkeln in seinen Augen. »Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil ich befürchtet habe, ich könnte dich in Schwierigkeiten gebracht haben.
Du
bist mir wichtig!«
    Ganz leise erklingen diese Worte hier unter den Bäumen, aber sie klingen laut in meinem Herzen, lauter als die Hundert Lieder alle auf einmal. Unter Kys Augen zeichnen sich dunkle Schatten ab, weil er sich um mich Sorgen gemacht hat. Ich würde so gerne die Haut unter seinen Augen berühren, die einzige Stelle an ihm, die jemals Verletzlichkeit gezeigt hat. Ich möchte, dass er sich besserfühlt. Anschließend würde ich über seine Wangen bis hinunter zu seinen Lippen streichen, bis zu der Stelle, wo das Kinn in den Hals übergeht, und weiter bis zu seinen Schultern. Ich mag die Stellen, an denen ein Teil in einen anderen übergeht,
Augen in Wange, Handgelenke in Hände
. Fast erschrocken über meine eigenen Gedanken trete ich einen Schritt zurück.
    »Wie hast du …«
    »Jemand hat mir geholfen.«
    »Xander«, sagt er.
    Woher weiß er das? »Xander«, bestätige ich.
    Einen Moment lang sagt keiner von uns ein Wort. Ich gehe einen Schritt zurück und kann ihn so von Kopf bis Fuß ansehen. Dann dreht er sich um und setzt seinen Weg durch die Bäume fort. Wir kommen nur langsam vorwärts; das Unterholz ist so dicht, dass wir eher klettern als wandern. Umgestürzte Bäume sind nie weggeräumt worden und liegen wie riesige Knochen kreuz und quer auf dem Waldboden.
    »Gestern …«, beginne ich. Ich muss es wissen, so unpassend die Frage jetzt auch erscheinen mag. »Hast du Livy das Schreiben beigebracht?«
    Ky bleibt stehen und sieht mich an. Seine Augen sehen fast grün aus unter dem dichten Laubdach. »Natürlich nicht«, erwidert er. »Sie wollte wissen, was

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