Die Auswahl. Cassia und Ky
besonders auf Ky geachtet, bevor ich von seiner Klassifikation wusste.
Und bevor du sein Gesicht auf dem Mikrochip gesehen hast
, erinnere ich mich.
Das hat natürlich dein Interesse geweckt. Außerdem hättest du dich für
gar niemanden
interessieren dürfen, bevor du gepaart wurdest
.
Mir wird ein wenig schlecht bei der Überlegung, dass Livy Kys wahren Wert vielleicht sogar in einer Art und Weise wahrnimmt, die irgendwie reiner ist. Sie ist einfach nur
an ihm selbst
interessiert. Keine verborgenen Gründe. Keine Fußangeln. Keine versteckten Motivationen hinter der Anziehungskraft, die er grundsätzlich für sie besitzt.
Dann wiederum mache ich mir klar, dass ich das nicht wissen kann. Sie könnte etwas verbergen, ebenso wie ich. Wir könnten alle irgendetwas verbergen.
Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf das Spiel und beobachte Kys und Xanders Gesichtsausdruck ganz genau. Keiner von beiden zuckt mit der Wimper, zögert vor einem Zug oder lässt sich in die Karten gucken.
Am Ende ist all das irrelevant. Das Spiel geht unentschieden aus. Ky und Xander beenden die Runden mit der gleichen Punktzahl.
Beide haben eine gleiche Anzahl von Spielen gewonnen und verloren.
»Lass uns ein Stück spazieren gehen«, schlägt Xander vor und greift nach meiner Hand. Bevor ich meine Finger mit seinen verschränke, hätte ich Ky am liebsten einen kurzen Blick zugeworfen, aber ich tue es nicht. Auch ich muss das Spiel mitspielen. Ky wird das bestimmt verstehen.
Aber hätte auch Xander Verständnis? Wenn er von Ky und mir wüsste und von den Worten, die wir auf dem Hügel austauschen?
Ich verdränge diesen Gedanken, während ich mich mit Xander vom Spieltisch entferne. Livy rutscht sofort auf seinen Platz und fängt eine Unterhaltung mit Ky an.
Xander und ich gehen allein hinaus auf den Gang. Ich frage mich, ob er mich küssen will und was ich machen soll, wenn er es will, aber stattdessen nähert er sich meinem Ohr und flüstert leise: »Ky manipuliert die Spiele.«
»Wie bitte?«
»Er verliert absichtlich.«
»Es war unentschieden. Er hat nicht verloren.« Ich weiß nicht, worauf Xander hinauswill.
»Nicht heute Abend. Weil es kein strategisches Spiel war. Die verliert er nämlich normalerweise. Ich beobachte ihn schon seit einer ganzen Weile. Er stellt es sehr geschickt an, aber ich bin mir ganz sicher.«
Ich starre Xander an und weiß nicht, was ich sagen soll.
»Es ist leicht, ein strategisches Spiel zu verlieren, besonders in einer großen Runde. Oder ein Spiel wie Check, bei dem man die Steine absichtlich ungeschickt setzen kann, so dass es ganz natürlich wirkt. Aber heute, bei einem Glücksspiel, hat er nicht verloren. Er ist kein Dummkopf. Er wusste, dass ich ihn beobachtet habe.« Xander grinst. Dann runzelt er die Stirn. »Allerdings habe ich keine Ahnung,
warum
er das tut.«
»Warum er was tut?«
»Warum er so viele Spiele absichtlich verliert. Er weiß, dass uns die Funktionäre beobachten. Er weiß, dass sie Ausschau nach guten Spielern halten. Er weiß, dass unser Spielerfolg möglicherweise beeinflusst, welcher Beruf für uns ausgewählt wird. Deshalb ist es mir ein Rätsel. Warum will er nicht, dass sie wissen, wie intelligent er ist? Denn er
ist
intelligent.«
»Du erzählst aber doch niemandem davon, oder?« Plötzlich mache ich mir große Sorgen um Ky.
»Natürlich nicht«, antwortet Xander nachdenklich. »Er muss seine Gründe dafür haben, und das respektiere ich.«
Xander hat recht. Ky hat tatsächlich seine Gründe, und zwar gute Gründe. Ich habe sie gestern Abend auf seiner letzten Serviette gelesen, die Flecken hatte, die Tomatensoße sein mussten, aber wie Blut aussahen. Altes Blut.
»Lass uns noch einmal spielen«, schlägt Ky vor, als wir zurückkehren, die Augen auf Xander gerichtet. Sein Blick flackert ein einziges Mal, und ich bilde mir ein, dass er zu meiner Hand in Xanders huscht, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Er verzieht keine Miene.
»Okay«, sagt Xander. »Was für ein Spiel nehmen wir diesmal?«
»Ein strategisches«, schlägt Ky vor, und ein entschlossener Unterton in seiner Stimme verrät, dass er sich diesmal nicht so leicht geschlagen geben wird. Vielleicht will er sogar gewinnen.
Em verdreht die Augen und zeigt auf die Jungs, als wolle sie sagen: ›Ist das nicht unglaublich primitiv?‹ Aber wir folgen ihnen beide zu einem anderen Tisch. Livy schließt sich uns an.
Ich sitze zwischen Ky und Xander, gleich weit von beiden entfernt. Es ist, als sei
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