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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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nur wenige Funktionäre anwesend, obwohl es vor Besuchern nur so wimmelt, die spielen, gewinnen und verlieren. Aber dann entdecke ich drei Funktionäre, die den größten Spieltisch beobachten. Sie wirken ernst und wachsam in ihren weißen Uniformen. Ihre Gesichter verraten mehr Nervosität als sonst. Merkwürdig. Im Spielcenter gibt es normalerweise etwa ein Dutzend feste, rangniedrige Funktionäre, die für Ruhe und Ordnung sorgen. Wo sind sie heute alle?
    Irgendwo scheint etwas schiefzulaufen.
    Aber was mich betrifft, hat wenigstens eine Sache geklappt: Ky ist dabei. Ich sehe ihn an, während wir uns durch die Menge drängen. Ich halte mich dicht hinter Xander und hoffe, dass Ky meinem Blick entnehmen kann, dass ich seine Geschichte gelesen habe und sie mir wichtig ist. Er ist unmittelbar hinter mir, und am liebsten würde ich seine Hand nehmen, aber das geht nicht – hier sind zu viele Menschen. Doch eines kann ich für Ky tun: Ich kann ihn schützen, indem ich alles, was ich ihm mitteilen möchte, für mich behalte, bis der richtige Ort und die richtige Zeit gekommen sind. Und ich kann mir seine Worte und Bilder einprägen, obwohl ich wünschte, dass ihm all das nie zugestoßen wäre.
    Seine Eltern sind gestorben. Er hat gesehen, wie es passiert ist. Der Tod kam vom Himmel, und daran erinnert er sich. Jedes
     Mal, wenn es regnet.
    Xander bleibt stehen und wir alle mit ihm. Zu meiner Überraschung zeigt er auf einen Spieltisch, an dem einzeln gegeneinander gespielt wird. Solche Spiele mag Xander normalerweise nicht. Er schließt sich gerne einer Runde an, um zu gewinnen, wenn die Einsätze höher und mehrere Spieler beteiligt sind. Dabei kann er seine Fähigkeiten besser ausprobieren – die Herausforderungen und die Bandbreite der Möglichkeiten sind größer. Außerdem ist es weniger persönlich. »Hast du Lust, gegen mich zu spielen?«, fragt Xander.
    Ich drehe mich um, um festzustellen, wen er meint.
    Ky.
    »Ja, gern«, antwortet Ky, ohne zu zögern. Seine Stimme verrät nichts. Er blickt Xander unverwandt an und wartet auf dessen nächsten Schachzug.
    »Welche Art von Spiel ist dir lieber? Ein strategisches Spiel oder ein Glücksspiel?«
    Höre ich da eine versteckte Kampfansage in Xanders Stimme? Sein Gesichtsausdruck verrät genauso wenig wie der von Ky.
    »Mir egal«, antwortet Ky.
    »Wie wäre es dann mit einem Glücksspiel?«, fragt Xander, und wieder überrascht er mich. Xander hasst Glücksspiele. Sonst zieht er immer die vor, in denen Strategie und Taktik ausschlaggebend sind.
    Em, Piper und ich bleiben stehen und sehen zu, wie Xander und Ky sich setzen und ihre Scankarten in den Datenpod auf dem Tisch einscannen. Xander greift zu den Spielkarten, rote mit schwarzen Zeichen in der Mitte, und glättet den Stapel, indem er zweimal fest mit den Kanten auf den Metalltisch schlägt. Dann teilt er aus. »Willst du anfangen?«, fragt er. Ky nickt und zieht die erste Karte.
    »Was spielen sie denn da?«, fragt jemand neben mir. Livy. Sie ist wegen Ky hier. Da bin ich mir ganz sicher. Besitzergreifend wandern ihre Blicke über seine Hände, mit denen er die Karten hält.
    Guck nicht so, als gehörten seine Hände dir!
, denke ich, und dann muss ich mir eingestehen, dass sie auch mir nicht gehören. Ich sollte Xander beobachten und hoffen, dass er gewinnt.
    »Gefangenen-Dilemma«, erklärt Em neben mir. »Sie spielen Gefangenen-Dilemma.«
    »Was ist das?«, fragt Livy.
    Sie kennt das Spiel nicht? Überrascht drehe ich mich zu ihr um. Es gehört zu den einfachsten und geläufigsten Spielen. Em versucht, es Livy zu erklären, mit leiser Stimme, um die Spieler nicht zu stören. »Beide legen gleichzeitig eine Karte hin. Wenn beide eine gerade Zahl haben, bekommt jeder zwei Punkte. Wenn beide eine ungerade Zahl haben, erhält jeder einen Punkt.«
    Livy unterbricht Em. »Und wenn einer eine gerade und der andere eine ungerade Karte legt?«
    »Wenn eine gerade und die andere ungerade ist, bekommt der mit der ungeraden Karte drei Punkte. Der, der die gerade hinlegt, bekommt null Punkte.«
    Livy lässt Kys Gesicht nicht aus den Augen. Eifersüchtig denke ich, dass sie ihn selbst dann, wenn sie ihn genauso in allen Einzelheiten sähe wie ich – was ich bezweifle – kaum kennen würde. Wäre ihr Interesse an Ky noch dasselbe, wenn sie wüsste, dass er eine Aberration ist?
    Eiskalt durchfährt mich der Gedanke: Wäre
ich
ebenso interessiert an ihm, wenn ich
nicht
wüsste, dass er eine Aberration ist? Ich habe nie

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