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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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ich ein Stück Metall zwischen zwei Magneten. Von beiden Seiten werde ich angezogen. Beide sind Risiken für mich eingegangen – Xander mit dem Artefakt, Ky mit dem Gedicht und dem Schreiben.
    Xander ist mein idealer Partner und ältester Freund und einer der wertvollsten Menschen, die ich kenne. Es war wunderschön, ihn zu küssen. Tausenderlei Erinnerungen verbinden mich mit ihm.
    Ky ist nicht mein idealer Partner, aber er hätte es sein können. Er hat mir beigebracht, meinen Namen zu schreiben, die Gedichte auswendig zu lernen und einen Steinhaufen zu errichten, der aussieht, als könne er jeden Moment zusammenstürzen, aber trotzdem stehen bleibt. Ich habe ihn nie geküsst und glaube nicht, dass ich es je tun werde, aber ich glaube, ihn zu küssen wäre mehr als wundervoll.
    Fast fühle ich mich unbehaglich dabei, dass ich mir seiner Nähe so sehr bewusst bin. Ich registriere jede Pause, jede Bewegung, wenn er einen Spielstein auf dem schwarzgrauen Feld platziert. Ich möchte seine Hand nehmen und sie an mich drücken, direkt an mein Herz, dort, wo es am meisten wehtut. Ich habe keine Ahnung, ob mich das heilen oder mein Herz endgültig brechen würde, aber jedenfalls nähme das ewige, hungrige Warten ein Ende.
    Xander spielt mutig und intelligent, Ky mit einer Art tiefer, kalkulierter Intuition – beide sind ernstzunehmende Gegner. Praktisch gleich stark.
    Ky ist am Zug. Es herrscht Stille. Xander beobachtet ihn genau. Kys Hand schwebt über dem Feld. Für einen Moment, während er seinen Stein hochhält, erkenne ich, wo er ihn platzieren müsste, um zu gewinnen, und dass er das ganze Spiel im Hinblick auf diesen letzten Zug geplant hat. Er sieht Xander an, und Xander erwidert seinen Blick. Sie sind in einer Herausforderung gefangen, die tiefer und älter zu sein scheint als all das, was jetzt auf dem Spielfeld geschieht.
    Dann setzt Ky seinen Stein an eine Stelle, an der Xander ihn mit ein bisschen Geschick schlagen kann. Ky zögert nicht, nachdem er sich für das Feld entschieden hat. Er stellt seinen Stein mit einem hörbaren Klacken hin, lehnt sich dann in seinem Stuhl zurück und blickt an die Decke. Der Anflug eines Lächelns huscht über sein Gesicht, kaum wahrnehmbar. Es ist schneller verschwunden als eine Schneeflocke auf einem Airtrain-Gleis.
    Kys Zug mag nicht der brillante gewesen sein, von dem ich weiß, dass er ihn hätte ausführen können, aber er ist nicht dumm. Er hat sich für den Zug eines durchschnittlichen Spielers entschieden. Als er den Blick von der Decke abwendet, trifft er meinen. Er hält den Blickkontakt, wie er eben den Spielstein über dem Feld gehalten hat. In dieser stillen Pause sagt er mir etwas, das er nicht laut aussprechen kann.
    Ky weiß, wie man dieses Spiel spielt. Er kann all ihre Spiele spielen, einschließlich dessen, das er gerade eben verloren hat. Er weiß genau, wie er spielen muss, und deswegen verliert er jedes Mal.

KAPITEL 21

    A m nächsten Tag fällt es mir schwer, mich auf das Sortieren zu konzentrieren. Sonntage sind Arbeitstage – es gibt keine Freizeitaktivitäten, deswegen werde ich Ky wahrscheinlich bis Montag nicht wiedersehen. Bis dahin kann ich nicht mit ihm über seine Geschichte reden und ihm nicht sagen, wie leid es mir wegen seiner Eltern tut. Das habe ich ihm übrigens schon einmal gesagt, damals, als er zu den Markhams gezogen war und alle Nachbarn ihn willkommen hießen und ihm ihr Beileid ausdrückten.
    Aber jetzt, wo ich weiß, was wirklich geschehen ist, ist es anders. Vorher wusste ich zwar, dass sie gestorben waren, aber nicht, wie. Ich wusste nicht, dass er den Regen vom Himmel hat fallen sehen und hilflos danebenstehen musste. Dass ich die Serviette mit diesem Teil seiner Geschichte verbrennen musste, ist mir so schwergefallen wie kaum etwas anderes zuvor. Wie die Bücher draußen bei der alten Bibliothek, wie Großvaters Gedichte, so verwandelte sich Kys Geschichte Stück für Stück in Asche, in Rauch.
    Nur, dass er sich daran erinnert, und ich mich jetzt auch.
    Eine Nachricht von Norah erscheint auf dem Bildschirm und unterbricht mich beim Sortieren.
Bitte an der Aufseherstation melden.
Ich hebe den Kopf und blicke über die Sortierer-Arbeitsplätze hinweg zu Norah hinüber. Überrascht stehe ich auf.
    Die Funktionäre sind zurückgekehrt. Sie wollen offenbar zu mir.
    Sie beobachten mich, als ich zwischen den Reihen der anderen Arbeiter hindurchgehe, und ich glaube, Anerkennung in ihren Blicken
     zu lesen. Ich bin

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