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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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schlage vor, wir machen uns etwas frisch, und treffen uns dann gleich auf einen Cocktail in der Hotelbar. Steigt aus, der Bellboy wird den Wagen parken und unsere Koffer aufs Zimmer bringen.“
    Jo Ann blieb unbeeindruckt. „Ich fürchte, ich habe für so ein Dinner nicht die richtige Garderobe eingepackt“, sagte sie nüchtern.
    „Hast du ein Paar frische Jeans dabei?“
    „Ja.“
    „Und eine saubere Bluse, vielleicht eine weiße?“
    „Eine hellblaue.“
    Isabella war zufrieden. „Gut. Komm nach dem Duschen auf mein Zimmer, und wir suchen dir dann den dazu passenden Schmuck aus. Ich habe ein paar Ketten und Ohrringe eingepackt. Es wäre doch gelacht, wenn wir dich nicht etwas herausputzen könnten. Außerdem geht es hier sowieso ziemlich leger zu, nach dem, was ich an Gästen so alles in der Eingangshalle gesehen habe.“
     
    Die drei Frauen hatten einen Tisch direkt am Fenster zum Garten zugewiesen bekommen, nachdem Isabella dem Kellner eine Zehndollar-Note zugesteckt hatte. Er hatte sie gebeten zu warten, flink zwei Reservierungsschilder vertauscht, und sie mit dieser kleinen Aktion abseits der lärmenden Feriengruppen platziert.
    Zu dritt gingen sie zur Anrichte und kehrten mit gekochten Shrimps, eisgekühlten Sydney Rock Austern und Weißbrot wieder an ihren Tisch zurück, wo Isabella bei ihrem favorisierten Kellner noch eine Flasche Cabernet Sauvignon bestellte.
    Sie warteten mit dem Essen, bis der Kellner die Flasche brachte, am Tisch öffnete, Isabella einen Probeschluck einschenkte und ihnen, auf ihre Zustimmung hin, die Gläser füllte. Als er gegangen war, stießen sie an. „Auf die Zukunft!“, sagte Isabella.
    Eva blickte zu Jo Ann, die den Trinkspruch jedoch ungerührt erwiderte, einen Schluck trank und danach schweigend zum Besteck griff. Langsam wird es peinlich, dachte Eva, und versuchte sich mit oberflächlichen kleinen Geschichten durch die einzelnen Gänge zu plaudern.
    Isabella bemühte sich halbherzig, den harmlosen Anekdoten einigermaßen Beachtung zu schenken, doch als sie endlich beim Dessert angelangt waren, stocherte sie nur noch missmutig mit ihrer Gabel in den zerkrümelten Resten ihrer Nachspeise herum und meinte: „Ich kann nicht mehr! Diese verflixten Büfetts. Man lädt sich einfach zu viel auf die Teller.“
    „Weil man von allem versuchen will, und weil es einen Einheitspreis kostet ...“, nickte Eva und wollte sich schon in dieses neue Thema stürzen, als sie von
    Jo Ann unterbrochen wurde, die bis dahin den ganzen Abend über außer „ja“ und „nein“ noch kaum ein Wort gesprochen hatte.
    „Hört bitte endlich auf“, sagte sie und verblüffte die beiden Frauen damit. „Ich will heute keine weiteren albernen Geschichten von früher mehr hören. Die Vergangenheit wird mich noch früh genug einholen. Also, machen wir uns lieber einen schönen Abend!“
    „Das ist ein Wort!“ Isabella gab dem Kellner ein Zeichen. „Herr Ober, bitte noch eine Flasche Cabernet.“
    Jo Ann trank ihr Glas in einem Zug leer. Dann sah sie Isabella an und fragte: „Hast du es je bereut, zurückgegangen zu sein?“
    „Sagtest du nicht gerade, dass du nichts mehr von der Vergangenheit hören willst?“
    „Ich möchte mich nicht länger mit albernen Schwänken aus unserer gemeinsamen Jugend langweilen“, erklärte Jo Ann. „Aber was mit jeder von uns passiert ist, nachdem wir uns getrennt haben, das interessiert mich schon.“
    „Na gut. Was genau willst du wissen?“
    „Was ich gefragt habe! Ob du es je bereut hast, zurückgegangen zu sein!“
    Isabella lehnte sich im Stuhl zurück. „Nein, eigentlich nie! Am Anfang war es zwar schwierig, zu Hause Fuß zu fassen. Alles war so eng, so kleinbürgerlich. Ich hatte manchmal das Gefühl zu ersticken, und meine Brüder waren dabei das größte Problem. Sie wollten mich so schnell wie möglich wiederverheiraten, wie das in einer italienischen Familie eben so üblich ist. Dass Dieter mich aus dem Familienverband herausgelöst und mit nach Australien genommen hatte, war in ihren Augen bereits ein Verbrechen gewesen, aber dass er mich in der Fremde, auf der anderen Seite der Welt, auch noch sitzen gelassen hat, kam einer Todsünde gleich. Wenn sie ihn erwischt hätten, hätten sie ihn in der Luft zerrissen. So haben sie sich stattdessen auf mich gestürzt, um mich vor einem zweiten Desaster zu bewahren. Sie hatten sich in den Kopf gesetzt, einen Mann aus ihrem Bekanntenkreis für mich zu finden, einen italienischen Münchner sozusagen!

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