Die Auswanderinnen (German Edition)
Kurt vor drei Tagen zur Jagd gefahren, aber heute Morgen nicht wie erwartet zurückgekommen ist. Fertig, aus! Du gibst an, dass du ihn am Morgen vor seinem Aufbruch noch gesehen hast, und das kommt in die Akte. Es interessiert hier doch keinen Menschen, ob Kurt verschwunden ist oder nicht. So etwas kommt dauernd vor. Die Polizei wird glauben, dass ich hysterisch bin, sie wird uns beruhigen und uns sagen, dass wir erst einmal abwarten sollen. Dass er schon wieder auftauchen wird. Oder auch nicht, er wäre schließlich nicht der erste Ehemann, der einfach verschwindet und sich ohne Ankündigung aus dem Staub macht. Glaubst du wirklich, die Polizei schert sich einen Deut darum? Denkst du, sie wird hierherkommen und nach Isabella fragen, von der sie gar nicht wissen, dass sie hier ist, oder nach deinem Mann? Natürlich nicht! Nein, wir halten unsere Aussage ganz einfach und verständlich. Lass sie uns noch einmal ganz genau durchgehen ...“
Der Polizist auf dem Revier in Dubbo war auf einer der stillgelegten Farmen im Westen von Queensland aufgewachsen, wo der Grüngürtel unbarmherzig schnell in Wüste überging. Seine Eltern hatten ihren gesamten Besitz erst vor kurzem verkauft, nachdem ihr Land nicht mehr genug Ertrag abgeworfen hatte, um die fälligen Bankzinsen bezahlen zu können. Und so war Bill Wiseman, der mit seinen achtundzwanzig Jahren noch viel zu jung für seinen Namen war, nach der letzten Ernte vor knapp sechs Monaten nach Dubbo gekommen und hatte großes Glück gehabt. Er war zwar noch nicht weise, aber er war klug und umsichtig. Die freie Stelle auf dem Revier mochte unterbezahlt und der Polizeidienst nicht sein Traumberuf sein, aber es war ein Job und Bill war nur ein kleiner Fisch. Wozu sollte er in eine Großstadt gehen, um nach Arbeit zu suchen, wenn er in einem kleinen Teich vielleicht einmal ein großer Fisch werden konnte?
Bill schrieb auf, wann Kurt zur Jagd gegangen war – vor drei Tagen erst? – wo er normalerweise jagen ging – Johanna beschrieb ihm vage ein ziemlich weitläufiges Gebiet südlich von Lightning Ridge, – wie er dorthin gekommen war – sie habe ihn an einer bestimmten Stelle abgesetzt und sei dann mit dem Auto zurückgefahren, – wie lange er fortbleiben wollte - sie hätte ihn heute in der Früh wieder abholen sollen und hätte, weil er nicht an der verabredeten Stelle gewesen war, mehrere Stunden auf ihn gewartet, – was er für Kleidung trug – weiß nicht so genau, Jeans und ein braunes Sweatshirt? Ein kurzer Blick zu Eva, die zustimmend nickte, ja, das hatte er an! Tatsächlich stimmte diese Angabe genau mit dem letzten Bild überein, das sich Eva für immer ins Gedächtnis gebrannt hatte: Kurt auf dem Schubkarren, mit den dunklen Flecken auf dem Hemd, rostbraun auf schlammbraun, sie schauderte, worauf sich Johanna schnell vorlehnte und sie mit ihrer breiten Schulter verdeckte. Gut, das war es schon, wir rufen sie dann an, sobald wir etwas hören, vielen Dank, und machen sie sich keine allzu großen Sorgen.
„Geht nicht“, erwiderte Johanna. „Wir haben kein Telefon. Mein Mann will das nicht.“ Immer schön in der Gegenwart bleiben.
Bill hörte auf zu schreiben. Der Fall war einfach und seine Notizen tadellos. Genau so, wie sie es ihm im Fernkurs für Polizeianwärter, den er jeden Abend studierte, beigebracht hatten. „Wie können wir sie denn dann erreichen?“
Worauf ihm Johanna die Nummer vom Pub gab und dabei besorgt und verschüchtert auszusehen versuchte.
„Nur falls wir noch Fragen haben“, beruhigte er sie. „Und wenn ihr Mann wieder heimkommt, würden wir es zu schätzen wissen, wenn sie uns ihrerseits benachrichtigen würden.“ Er tippte mit dem Kugelschreiber auf seine Notizen. „Damit wir es vermerken können.“ Und als Johanna abwartend stehen blieb, fügte er noch hinzu. „Er kommt bestimmt bald zurück.“
Auf dem Rückweg jubilierte Johanna. „Hab ich es dir nicht gesagt?“ Sie lachte tatsächlich. „Es ist rein gar nichts passiert. Sie werden mich nicht anrufen, und ich werde sie nicht anrufen, und irgendwann wird die Akte zur Seite gelegt und dem Vergessen überantwortet werden.“
„Aber du kannst doch nicht ewig darauf warten, dass nichts passiert. Wenn sie nun doch anrufen und dich nicht erreichen? Und werden sie nicht misstrauisch werden, wenn du wegziehst?“
Johannas fröhliche Miene verschwand von einem Moment zum anderen. „Oh, sie werden mich erreichen“, meinte sie und teilte Eva ihren Entschluss der
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