Die Auswanderinnen (German Edition)
Ihr habt ja keine Ahnung, was da alles abging! Ich bin fast verrückt geworden. Ich konnte nicht einmal mehr auf den Viktualienmarkt zum Einkaufen gehen, ohne einen brüderlichen Wachhund an meiner Seite.“
Eva musste lachen. „Wie bist du ihnen entkommen?“
Sogar Jo Ann schmunzelte. „Ich wette, du hast es ihnen ganz schön schwer gemacht.“
„Nicht in den ersten Monaten. Da war ich noch zu verletzt und hatte wirklich zu kämpfen, um mein seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. Nicht nur von meinem Ehemann verlassen worden zu sein, sondern auch noch in mein Elternhaus zurückgekehrt zu sein, empfand ich als eine doppelt persönliche Niederlage ...“
„So war es bestimmt nicht“, wollte Eva sie trösten.
„Oh doch, das kannst du mir glauben! Ich war eine Niete, eine Versagerin auf ganzer Linie...“
„Das kann ich wiederum gut verstehen. Ich hätte Uwe auch verlassen und wäre zurückgegangen, wenn ich nicht solche Angst gehabt hätte, dann als Versagerin dazustehen. Einmal habe ich ...“
„Meine Damen!“, mahnte Jo Ann. „Eine nach der anderen.“
„Entschuldige, du hast Recht“, sagte Eva. „Also, wie bist du deinen Brüdern entkommen, Isabella?“
„Durch die Arbeit. Als ich meine Gefühlswelt wieder einigermaßen im Griff hatte, bewarb ich mich bei einem Münchner Importeur. Mit meiner Auslandserfahrung und meinen Englischkenntnissen bekam ich sofort eine gute Stelle.“
„Und diesmal ohne persönliche Unterstützung des Chefs?“, neckte Eva sie.
Isabella wurde ernst. „Du sagst es! Ich hatte mir, nachdem mich Hal abserviert hatte, geschworen, mich niemals wieder von einem Vorgesetzten abhängig zu machen. Ich hatte meine Lektion gelernt, war knallhart und unbequem geworden. Das kam bei den Kunden gut an, was wiederum meiner Karriere gutgetan hat. Ich war erfolgreich und konnte bald von zu Hause ausziehen und mir ein eigenes Appartement mieten. Endlich war ich frei und unabhängig! Ein zufriedener Single! Wenig später habe ich mich dann auch noch beruflich freigeschwommen und mich selbstständig gemacht habe. Von diesem Tag an gab es keinerlei Bevormundung mehr für mich. Und das ist etwas, wofür ich Dieter und Hal eigentlich noch nachträglich danken muss. Um es kurz zu machen, ich habe es nicht bereut, Jo Ann. Die Zeit in Australien war schwer, aber sie war wichtig für mich.“
„Das freut mich“, sagte Jo Ann. „Und hast du Dieter jemals wiedergesehen?“
Isabella verneinte. „Ich weiß nur, dass er jetzt in New York lebt.“
„Was macht er da?“
„Er arbeitet dort als freiberuflicher Fotograf, angeblich sogar mit beachtlichem Erfolg, aber das interessiert mich nicht.“
Jo Ann glaubte ihr kein Wort. „Hat er sich nach der Scheidung nie wieder bei dir gemeldet?“
„Nein. Das wäre auch keine gute Idee gewesen, weil er mir dann einige Fragen hätte beantworten müssen. Zum Beispiel, warum er mich einfach hat sitzen lassen, noch dazu mit leer geplündertem Konto. Schließlich hatte ich ihm nichts getan.“
„Vielleicht wusste er von Hal?“, gab Eva zu bedenken.
„Nein, hundertprozentig nicht! Ich kenne ihn, das hätte er sofort zu seinem Vorteil genutzt und mich unter Druck gesetzt. Ich traue ihm sogar zu, dass er die Affäre gebilligt hätte, wenn er dadurch an gute Aufträge herangekommen wäre.“
„Vielleicht täuschst du dich aber auch“, stellte Jo Ann nüchtern fest, „und hast ihn gar nicht so gut gekannt, wie du glaubst! Denn sonst würdest du wohl auch wissen, warum er abgehauen ist.“
Eva wunderte sich über die Kälte in Jo Anns Worten. „Du bist unfair“, warf sie ihr vor.
„Nein, bin ich nicht! Denkt doch mal nach! Wenn Dieter nichts von der Affäre wusste, muss er einen anderen Grund gehabt haben. Nachdem sich Isabella aber keinen anderen vorstellen kann, wusste sie auch nicht, was wirklich in Dieter vorging. Ich nehme an, er hat ihr etwas vorgegaukelt, so wie jeder Mann das tut.“
„Das ist eine Verallgemeinerung!“
„Ist es nicht! Ich habe mich in Kurt getäuscht, und du hast dich von Uwe hinters Licht führen lassen. Oder findest du diese Feststellung ebenfalls unfair? Falls ja, möchte ich dich nur fragen: Hat Uwe dir gegenüber nicht jahrelang den treu sorgenden Gatten gespielt, während er gleichzeitig seinen Ausstieg aus eurer Ehe geplant und dich betrogen hat?“
Eva wurde wütend. „Allerdings, und ich werde sogar noch heute fuchsteufelswild, wenn ich nur daran denke.“
„Ach, verdammt“, sagte Isabella.
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