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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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gefreut. Mein Gott, warum gerade jetzt? Das Schicksal konnte ja so grausam sein. Sie begann über die leichte Wölbung ihres Bauches zu streichen. Es konnte nichts dafür, das arme Ding. Ob es ihm wohl etwas ausmachen würde, ohne Vater aufzuwachsen?
    „Schaffen wir das, wir zwei alleine?“, flüsterte sie. „Wie sollen wir das nur anstellen? Ohne Arbeit und ohne Geld? Nach Deutschland zurückgehen und dort auf das Mitleid meiner Leute angewiesen sein? Damit alle sagen können, na bitte, wir haben es ja gleich gewusst, das musste doch schiefgehen. Dieser dumme Traum vom Auswandern. Und so weit weg. Wo es bei uns doch so schön ist! Nein, mein Kleines, das schaffe ich nicht.“ Das Kleine kickte wieder. „Ich weiß, es ist unmöglich. Wir müssen die Heimreise verschieben. Bis du größer bist und ich wieder arbeiten gehen kann. So lange werden wir uns noch auf Uwe verlassen müssen. Er ist schließlich dein Vater.“
    Ein Nachbar lief an ihrer Seite des Autos vorbei, ohne sie zu bemerken. Aber sie kam sich trotzdem plötzlich kindisch vor, wie sie so alleine auf dem Beifahrersitz saß und laut mit ihrem ungeborenen Kind sprach. Sie rutschte etwas tiefer in ihren Sitz, faltete die Hände über ihrem Schoß und beendete das Zwiegespräch. Sagte ihrem Kind in Gedanken, dass sie das Beste aus der Situation machen würde. Um ihm die besten Chancen im Leben zu geben. Dass Uwe gar nicht so übel sei, zumindest wäre er ein zuverlässiger Arbeiter, und vielleicht würde ihn die Geburt ja etwas gesprächiger und umgänglicher machen. Aber falls nicht, was wahrscheinlicher war, sei das auch nicht weiter tragisch. Sie beide, das Kind und sie, könnten ja immer miteinander reden. Nicht sofort, dafür wäre es noch zu klein, aber ihr würde das nichts ausmachen. Ich rede immer mit dir, versicherte sie ihrem Bauch, mach dir keine Sorgen. Von mir erfährst du alles.
    Danach stieg sie aus, ging nach oben in ihre Wohnung und plapperte drauflos, wie immer. Sie fragte Uwe, ohne eine Antwort zu erwarten, was sie kochen sollte und wie das Wetter gewesen wäre, erzählte, dass sie den Nachbar gesehen habe, und eine Windböe, die eine Vogelfeder auf die Kühlerhaube geweht habe, man stelle sich das vor. Und ganz nebenbei: „Johanna bekommt nächsten Monat ein Telefon. Sie ruft uns bestimmt gleich an, wenn Kurt wieder auftaucht.“
    Uwe nickte und las in seiner Zeitung weiter. Und Eva fühlte sich längst nicht mehr so erbärmlich wie noch vor einer halben Stunde. Hatte das Drama um Kurt schon fast wieder vergessen, und um Isabella, diese abweisende Person, die ihr so fremd geworden war. Ach ja, und Uwe, ihren eigenen Mann, der am Küchentisch saß und so tat, als wäre nichts geschehen, den konnte sie auch vergessen. Er würde es sowieso nicht bemerken.
     
    Als Isabella die Haustür aufsperrte, vernahm sie Musik und Gelächter. Automatisch zupfte sie ihren Schal zurecht und schob ihn etwas höher. Dieter saß auf dem Sofa vor dem Fenster und ihm gegenüber, mit dem Rücken zu ihr, hatte ein Mann im Sessel Platz genommen, der ihr nun über die Schulter entgegenblickte, nachdem Dieter sie lapidar begrüßt hatte.
    „Na, mein Schatz, schon zurück? Wie war die Reise?“
    Sie ging an den beiden vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Dieter lachte ihr nach.
    „Na, immer noch eingeschnappt?“
    Er hatte also keine Geheimnisse vor dem unbekannten Besucher. Hatte ihm wahrscheinlich stolz erzählt, wie er seine Frau behandelte, wenn sie nicht parierte! Vielleicht sogar noch darüber gelacht! Sie ging ins Schlafzimmer, schloss die Tür und legte sich voll bekleidet, mit den flachen Sandalen an den Füßen, auf das ungemachte Bett. Er war unerträglich. Eitel und dumm. Isabella stellte sich vor, wie er, gleich nach seiner Rückkehr, den oberflächlichen Werbefritzen, die er so bewunderte, die Geschichte, wie er seine eigene Frau im Busch ausgesetzt hatte, erzählt und sie so lange aufgebauscht und ausgeschmückt hatte, bis nicht die Geschichte, sondern sie, Isabella, zur Lachnummer geworden war.
    Die Musik drang durch die dünne Zwischenwand des Wohnzimmers an ihr Ohr und zerrte an ihren Nerven. Sie war so müde und wollte schlafen! Bestimmt hatte er ihnen erzählt, dass er sie aus dem Auto geworfen hatte, weil sie ihn beleidigt hatte. Ob er ihren Schlag gegen sein Kinn auch erwähnt hatte? Und dass sie stundenlang in der Hitze durch den verfluchten Busch laufen musste, ehe sie Kurts Mine erreichte? Bestimmt nicht! Über eine so miese Art eine Frau

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