Die Auswanderinnen (German Edition)
zu behandeln, schwieg man sogar unter Seinesgleichen.
Sie schloss ihre Augen, öffnete sie aber gleich darauf wieder. Es hatte keinen Sinn. Mit dem Lärm nebenan konnte sie einfach nicht schlafen. Dabei waren ihre Glieder schwer wie Blei. Sie würde allen erzählen, wie es wirklich war. Gewesen war, korrigierte sie sich. Es war vorbei. Aber ja doch, es war vorbei. Was hatte sie allen erzählen wollen? Dass ihr Mann ein eitles dummes Schwein war, das sie im Stich gelassen hatte. Na und? Es war vorbei. Sie hatte ihren Weg auch ohne seine Hilfe zurückgefunden. Ganz allein. Sie hatte diesen irrsinnig strapaziösen Tag überstanden, diesen fürchterlichen Tag, der sich immer wieder schemenhaft in ihren Schlaf drängte. Wie ein Albtraum, der sich ständig wiederholte, dabei aber jedes Mal ein wenig mehr Form und Farbe verlor. Bis er nur noch schwarz-weiß war und so nebulös, dass nichts mehr von ihm übrig blieb. Außer der Furcht und dem Gefühl, völlig hilflos zu sein. Mit jeder Tablette, die sie eingenommen hatte, war er schwächer geworden, der Albtraum, und weniger wichtig. Johanna hatte ihr die Drogen absichtlich verabreicht, um diesen scheußlichen Traum zu vertreiben, der an diesem Tag verursacht worden war. Wenn sie nur wüsste ..., ja, was denn? Isabella richtete sich langsam auf und setzte sich auf den Bettrand. Sie wollte an nichts mehr denken. Es war vorbei, sie wollte vergessen und nur noch schlafen.
Die Musik! Dieter! Das Gelächter! Sie musste aufstehen und die Kraft finden, in ein Hotel zu gehen. Sie konnte diese Wohnung keine Sekunde länger ertragen. Sie konnte Dieter nicht mehr ertragen, so wie sie Eva plötzlich nicht mehr hatte ertragen können, mit ihrem Geschwätz und ihrer Fürsorge. So übertrieben, so aufgesetzt. Die Aussicht auf eine zehnstündige Zugfahrt mit ihr war die letzten Tage wie ein Damoklesschwert über ihr gehangen, und sie hatte sich erst zu einer gemeinsamen Fahrt bereit erklärt, als ihr Johanna mit ihren Bemühungen und ihrer Pflege noch mehr auf die Nerven gegangen war als Eva. Johanna konnte sie auch nicht mehr ertragen. Die stille Johanna mit dem pappsüßen Tee und dem säuerlichen Zug um den Mund. Isabella war überrascht gewesen, als Eva ihr gesagt hatte, dass schon sieben Tage vergangen wären, und sie dann noch gefragt hatte, ob sie glaube, die Reise schaffen zu können? Sieben Tage? Sie hatte gerade einmal auf drei oder vier getippt. Höchste Zeit, wieder ins Büro zu kommen.
Weitere drei Tage waren vergangen und als Johanna ihre Beruhigungsmittel reduzierte und ihre Schlafphasen deshalb kürzer wurden, hatte sie bemerkt, dass ihre Freundin ganz andere Dinge im Kopf hatte, als sie zu bemuttern oder sich mit Eva zu unterhalten. Jetzt war sie ohne Kurt und hatte wieder eine Zukunft vor sich. Da mussten ihr Eva und sie doch bestimmt so lästig wie zwei Stubenfliegen sein. Sie musste weg, so schnell wie möglich, allerdings nicht in Gesellschaft dieser Plappertante Eva. Warum konnte sie nicht alleine fahren? Aber es war wohl nicht anders zu machen. Sie würde Eva ertragen müssen, um Johanna entfliehen zu können. Aber Eva hatte schnell verstanden. War im Zug wie ausgewechselt gewesen, reserviert und verschlossen. Hatte sie nur beobachtet, lauernd, wie eine Echse. Isabella war erleichtert gewesen. Lieber hatte sie ein kaltblütiges Kriechtier neben sich sitzen, als einen feuerspeienden Drachen.
Mittlerweile hatte Dieter die Stereoanlage ausgeschaltet und sie hörte, wie er im Zimmer auf und ab ging und redete, kurz danach hörte sie die Haustür gehen, dann nichts mehr. Sie atmete tief durch, legte sich wieder zurück und schloss die Augen. Vielleicht würde er die Nacht über wegbleiben. Er hatte sie nichts gefragt, und sie hatte ihn vor ihrer Rückkehr nicht angerufen. Wusste er, dass Kurt tot war? Hatten ihn Uwe oder Eva informiert?
Obwohl sie unsäglich müde war, beschloss sie, Dieters Bettzeug für den Fall, dass er zurückkam, ins Wohnzimmer zu tragen und aufs Sofa zu legen. Sie schloss die Tür zum Schlafzimmer ab, zog sich aus, legte sich in ihr Bett und traf eine weitere Entscheidung, kurz bevor sie in einen traumlosen, erholsamen Schlaf fiel. Dies hier war ihr Bett, hier war sie sicher, und hier würde sie bleiben. Dieter musste gehen!
Zur gleichen Zeit lag auch Eva auf ihrer Seite des Bettes, neben Uwe, der beim Einatmen einen pfeifenden und beim Ausatmen einen rasselnden Schnarchton von sich gab. Leise, regelmäßig und einschläfernd. Eva stellte
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