Die Auswanderinnen (German Edition)
sahen sie verdutzt an. „Schaut mich nicht so an, es ist mir Ernst! Wir sitzen hier, mutmaßen und wälzen Probleme und quälen uns ab, weil wir im Dunkeln tappen. Dabei ist es doch so einfach, Licht ins Dunkel zu bringen. Uwe wird sich sicher noch daran erinnern, ob er mit Dieter zur Mine zurückgefahren ist oder nicht. Also werden wir ihn fragen!“
„Du willst ihn anrufen?“ Isabella vermutete, dass er am Telefon wohl kaum dazu bereit sein würde, Auskunft zu geben.
„Dann fahren wir eben zu ihm und stellen ihn persönlich zur Rede.“ Eva schien fest entschlossen. „Seine Firma ist in Harbord, das ist nur eine Viertelstunde von hier. Ich rufe ihn jetzt an und vereinbare einen Termin mit ihm. Ihr kommt mit, und wir befragen ihn gemeinsam. Ich will jetzt endlich wissen, was sich damals abgespielt hat.“
„Glaubst du, er wird uns die Wahrheit sagen?“
„Warum denn nicht? Wir wollen schließlich nur von ihm wissen, ob sie damals zurückgefahren sind, und falls ja, warum, und was in der Mine los war. Ich werde nicht gehen, bevor er mir nicht die Wahrheit gesagt hat. Dieser Mistkerl soll endlich den Mund aufmachen. Nie hat er mit mir geredet!“
„Nicht schlecht“, nickte Isabella, „du bist ja richtig ärgerlich! Mach schnell, ruf ihn an, ehe deine Wut verraucht ist.“
Sie kannte Eva. Es dauerte nie sehr lange, bis sie wieder friedlich war.
Aber dieses Mal nutzte Eva die Chance, um ihren Frust in eine effektivere Bahn zu lenken. Nach mehreren Wartepausen, in denen sie jeweils von einem Apparat zum anderen weiterverbunden worden war, bekam sie Uwe endlich ans Telefon, doch er schien einem Treffen ausweichen zu wollen.
„Sag, es geht um Leben und Tod“, soufflierte Isabella.
„Ja, sag Nadja ist in Gefahr!“, flüsterte Jo Ann.
„Hör mal, Mister Big shot“, sagte Eva ruhig und in einem kühlen Ton. „Es interessiert mich nicht, ob du wichtige Kunden zu Besuch hast. Du wirst sie vertrösten müssen, so wie du mich früher auch vertröstet hast. Lass dir etwas einfallen, denk einfach an all die Lügen, die du mir aufgetischt hast, als du deine Tussi ...“ Sie wurde von Uwe kurz unterbrochen, ließ sich aber nicht beirren. „Ja, ja, das mag lange her sein, aber du hast dich bestimmt nicht geändert. Ich werde um zehn Uhr in deinem Büro sein. Und wage nicht, mich zu versetzen. Denn wenn du mich auch nur eine einzige Sekunde warten lässt, erzähle ich sämtlichen Angestellten am Empfang ein paar Details aus deiner doppelten Buchführung.“ Wieder wurde sie unterbrochen – und wieder fiel sie Uwe ins Wort. „Natürlich weiß ich davon! Ich rede von den Barzahlungen, die du angenommen hast. Von dem Geld, mit dem du dich selbstständig gemacht hast! Und ich werde allen erzählen, wie mies du dich deiner Tochter gegenüber benommen hast! Punkt zehn bin ich da!“ Sie knallte den Hörer aufs Telefon. „Ich fasse es nicht, der Kerl hat mich seit ewigen Zeiten nicht gesehen und versucht tatsächlich, mir einen Termin in drei Wochen aufs Auge zu drücken. Der Mutter seiner einzigen Tochter!“
„Gratuliere“, sagte Isabella anerkennend. „So kenne ich dich gar nicht!“
„Danke.“ Eva sackte in sich zusammen. „Das macht mich total fertig. Ich bin nur froh, dass ihr beide mitkommt. Wie spät ist es jetzt?“
„Halb zehn!“
Eva stand wieder auf, rieb sich ihre leicht zitternden Hände und hob dann trotzig ihr Kinn. „Auf in den Kampf, meine Damen!“
Kapitel 53
Sie erreichten Uwes Bürokomplex zehn Minuten zu früh, aber Eva war immer noch so wütend, dass sie sich weigerte, auch nur eine Sekunde länger im Auto zu warten.
An der Rezeption stellte sie sich als die frühere Mrs Seybold vor und wurde daraufhin ohne weiteres zu Uwes Büro gewiesen. Mit Jo Ann und Isabella im Schlepptau marschierte sie los.
Als sie eintraten, stand Uwe mit dem Gesicht zum Fenster. Er trug einen grauen Anzug, dessen Material und Schnitt auf einen teuren Schneider schließen ließ.
„Du benutzt also immer noch meinen Namen“, stellte er sachlich fest, während er sich umdrehte. Erst da sah er Isabella und Johanna und meinte mit unbewegtem Gesicht: „Donnerwetter! Das ist aber eine Überraschung!“
Wie immer, hat er sich total unter Kontrolle, dachte Eva.
„Wie geht es dir, Isabella, und dir, Johanna?“ Uwe ging auf die Frauen zu, gab jeder einen Kuss auf die Wange und bat sie dann Platz zu nehmen.
Sein Büro bestand aus zwei großzügig geschnittenen Räumen, die durch Flügeltüren
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