Die Auswanderinnen (German Edition)
auf dem Schiff so billig.“
Mira runzelte die Stirn. „Du durftest nicht?“
„Kurt hat damals gesagt, es wäre ihm lieber, wenn ich gar nicht erst damit anfange. Ich sagte, Eva und Isabella trinken doch auch mal was, aber er meinte, das sei etwas anderes, mit denen sei er ja schließlich nicht verheiratet!“
„Waren die beiden deine Freundinnen?“
„Ja. Einmal hat Isabella eine Flasche in die Kabine geschmuggelt, ich glaube das war meinetwegen, damit ich es wenigstens einmal probieren kann. Ich habe das gar nicht vertragen. Kurt war auch ziemlich wütend auf sie, als er davon erfuhr. Alkohol in den Kabinen war nämlich nicht erlaubt, weißt du. Es gab ziemlich strenge Regeln auf dem Schiff, was auch nötig war. Da waren vielleicht verrückte Leute dabei. Da lag eine Spannung in der Luft, das kannst du dir überhaupt nicht vorstellen. Irre Typen waren das. Ich weiß noch, einer war so glücklich gewesen, als er die Küste Australiens zum ersten Mal gesehen hat, dass er zu seiner Kabine gerannt ist, seine ganze warme Winterkleidung geholt und sie über Bord geworfen hat. Stell dir das einmal vor, seinen guten Wintermantel, Pullover, Socken, einfach alles. Dabei hat er vor Vergnügen gejubelt, dass er das dicke Zeug nun nie wieder tragen müsse. Wie sich später aber herausstellte, hat er geplant nach Tasmanien zu gehen. Nach Tasmanien! Wo es das ganze Jahr über kalt ist, sogar im Hochsommer! Gott, was haben ihn die anderen Passagiere ausgelacht.“
Jo Ann trank einen Schluck kalten Kaffees, und Mira fragte, ob sie noch Zeit für einen neuen hätte. Sie nickte und Mira drehte sich um und rief ihre Bestellung in den halbdunklen Raum. „Ja, ja, ihr Ausländer seid schon ein seltsamer Haufen. Ihr kommt hier an und habt keine Ahnung von unserem schönen Land.“
Das war nicht ganz ernst gemeint, aber Jo Ann musste ihr zustimmen. Sie waren damals entsetzlich uninformiert gewesen. „Stell dir vor, wir hatten uns vor unserer Abreise überhaupt nicht richtig informiert, wie das Leben hier so ist. Ich hatte nur die Werbebroschüren gelesen, die Kurt vom australischen Konsulat mitgebracht hatte. Darin klang natürlich alles rosig. Aber Schwamm drüber, das ist schon so lange her.“
Mira genoss Jo Anns ungewöhnliche Redseligkeit. Zwischen ihnen hatte sich über die Jahre hinweg eine Freundschaft entwickelt, die jeden Winter, wenn Mira zum Schürfen kam, etwas vertiefte. Mira war neugierig und animierte sie weiterzuerzählen: „Du wolltest von der Flasche erzählen, die ihr in die Kabine geschmuggelt habt.“
Aber Jo Ann blockte ab. „Ich habe ganz vergessen, dass ich noch etwas erledigen muss.“ Sie stand etwas zu hastig auf. „Ich muss los. Falls du wirklich schon morgen fahren willst, wäre es nett, wenn du vorher noch bei mir vorbeikommen würdest. Ich habe etwas für dich.“
„Was denn?“
„Überraschung!“, winkte ihr Jo Ann noch zum Gruß zu, dann drehte sie sich um und verschwand zwischen den Häusern.
Kapitel 11
Jo Anns Haus lag am Ende einer Seitenstraße. Es war ein weiß gestrichener, lang gezogener Holzbau, der aussah wie ein umgebauter Wohnwagen. Nichts Besonderes, aber wenigstens ein richtiges Haus, mit Betonboden, isolierten Wänden und Blechdach, mit zwei Zimmern, einem funktionierenden Bad und einem großen Garten, der ihr ganzer Stolz war. Das Land, das ihr gehörte, grenzte direkt an den Busch, von dem es nur durch einen dünnen Drahtzaun getrennt war, sodass sie das Gefühl hatte, in eine endlose Weite zu schauen, wenn sie auf der hölzernen Bretterterrasse vor ihrem Haus saß und die dahinziehenden Wolken betrachtete.
Jo Ann kickte mit dem Fuß einen Stein von der Straße und beschleunigte ihre Schritte. Die Bewegung tat ihr gut, nach dem wochenlangen Herumsitzen und Warten. Mira hatte Recht, das Wasser ging langsam zurück und sie würden ihr gewohntes Leben schon bald wieder aufnehmen können. Es war aber auch höchste Zeit. Sie wollte so schnell wie möglich in ihre Mine zurück, obwohl es eigentlich genug im Garten zu tun gab, nachdem es endlich nicht mehr regnete. Jo Ann zog ihr eigenes Gemüse und hatte sogar ein paar Sträucher gepflanzt, die bald blühen würden. Dann würde ihr Garten in seiner Farbenpracht denen der teuren Häuser im Dorf, von denen es eine ganze Menge gab, seitdem die großen Opaladern entdeckt worden waren, in nichts nachstehen. Ihr eigenes Land war inzwischen mehr wert als ihre Mine. Diese gottverdammte Mine! Jedes Jahr nahm sie sich vor,
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