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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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Erste Erfolg hatte. Sie hatte den Aushang im Altenheim studiert und dort die Wohnung einer kürzlich Verstorbenen entdeckt, die nun von ihren Erben zur Vermietung angeboten wurde. Und so zogen Kurt und sie schon am darauf folgenden Wochenende aus dem Lager aus und in die schlichte Zwei-Zimmer Wohnung am Nordufer der Stadt ein. Ihr neues Heim befand sich in einem dreistöckigen Ziegelbau, besaß einen Hof zum Wäscheaufhängen, und vom Badezimmerfenster aus konnte man sogar noch einen Blick auf einen Teil der Harbour Bridge erhaschen, wenn man sich auf die Zehenspitzen stellte und den Hals verbog. Die Wohnung war hell und sauber und mit fünfundzwanzig Dollar die Woche für Doppelverdiener auch erschwinglich. Sie richteten die Wohnung mit billigen Möbeln ein, die sie in einem Secondhandshop an der Military Road kauften und mit einem geliehenen Leiterwagen nach Hause transportierten. Wie in Australien üblich, war die Küche bereits eingebaut und der Teppichboden gelegt, Lampen hingen von den Decken und Vorhänge vor den Fenstern. Viel mehr benötigten sie nicht.
    Kaum hatten sie sich häuslich eingerichtet, wurde die Wohnung direkt neben der ihren frei. Sofort baten sie den Hausverwalter um den Mietvertrag, unterschrieben ihn, um die begehrte günstige Wohnung für ihre Freunde zu reservieren, und überlegten nach dem Abendessen, welchem Paar sie die Wohnung nun vermitteln sollten. Dieter oder Uwe?
    „Vielleicht sollten wir es ihnen überlassen“, meinte Johanna, die sich schwer damit tat, jemanden zu benachteiligen.
    „Ich weiß nicht“, sagte Kurt. „Mir sind Uwe und Eva lieber. Bei denen weiß man wenigstens, woran man ist. Die sind zuverlässig, während Dieter eine Niete ist, und Isabella, na, ich weiß nicht. Sie kann ein ganz schönes Miststück sein, und wie sie Dieter behandelt, geht mir einfach auf die Eier.“
    Johanna hatte sich eigentlich nie von Isabella genervt gefühlt, aber wenn Kurt so dachte! Sie nickte gleichgültig.
    „Außerdem“, gab Kurt zu bedenken, „hat sie immer noch keinen Job. Mit nur einem Gehalt ist die Wohnung zu teuer für die beiden. Wenn Dieter ausfällt, man weiß ja schließlich nie was kommt, dann holt sich die Hausverwaltung vielleicht das Geld von uns. Wir haben immerhin unterschrieben.“
    „Ja, aber sie werden den Vertrag doch sicher umschreiben lassen, dann stünden wir nicht mehr in der Verantwortung. Was soll dann schon passieren?“
    „Du bist ein schönes Dummerchen.“ Kurt stand auf, holte sich eine Dose Bier aus dem Kühlschrank – sein abendlicher Luxus, mit dem er sich täglich für die harte Arbeit belohnte. „Es kann alles Mögliche passieren! Hier gibt’s keine sozialen Leistungen wie in Deutschland. Wenn du in Australien deinen Job verlierst, gibt es kein Amt, auf das du gehen und wo du deine Hand aufhalten kannst. Da kannst du verhungern, das juckt ihr keinen.“ Kurt war all die Wochen über friedlich gewesen. Seit sie getrennt ihrer Arbeit nachgingen und nicht mehr so viel Zeit miteinander verbrachten, hatte er sie kaum mehr gescholten. Er war auch nie grob geworden und hatte sie keine einzige Nacht mehr belästigt. Die Arbeit auf dem Bau war anstrengend und erschöpfte ihn nach all den untätigen Monaten. Nur deshalb vergaß sich Johanna kurz und wurde unvorsichtig. „Das kann ich mir aber nicht vorstellen“, widersprach sie ihm. „So großzügig wie die Australier zu uns waren. All die Wochen im Camp bei voller Verpflegung und die Schiffsreise und alles. Keinen Dollar haben sie von uns verlangt. Die helfen bestimmt, wenn man arbeitslos wird. Du weißt das nur nicht.“
    Kurt stand mit dem Rücken zum Fenster. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck im Gegenlicht nicht ausmachen. Sie sah nur, dass er die Dose mit einem Zug leerte. „Ach, und Madam weiß das wohl besser als ich? Du hast ja keine Ahnung! Ich sage dir, es gibt kein Amt, keine Hilfe und kein gar nichts. Verrecken können wir, jetzt, wo sie uns erst einmal im Land haben und nicht mehr rauslassen! Wehe, wenn einer von uns seinen Job verliert, dann sieht es übel aus. Dann können wir verhungern, sag ich dir, aber davon hast du ja keine Ahnung. Du hast ja noch nie Hunger leiden müssen. Aber ich werde dir zeigen, wie das ist! Wie man sich fühlt, wenn der Magen knurrt, und man an nichts anderes mehr denken kann, als nur noch ans Essen.“
    Schlagartig fühlte Johanna wieder die Angst, die sie zuletzt am Tag ihrer Abreise in Bonegila überfallen hatte. Nur war sie dieses Mal noch

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