Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
Vom Netzwerk:
Argument sein?“
    „Ich weiß auch nicht. Ich meine nur, es ist hier alles so anders, dass ich nicht mehr weiß, wo ich anfangen soll mit dem Vermissen.“
    Eva konnte ihr nicht folgen. „Na, du könntest zum Beispiel mit dem Brot anfangen“, beharrte sie.
    Aber Johanna ging nicht weiter darauf ein. Sie schwiegen eine Weile und Eva kam sich beinahe lächerlich vor. Was redete sie da vom Brot? Als ob es nur das Brot wäre!
    Sydney war eine Großstadt, aber die Einwanderungswelle, die mehrere Jahre später für das Entstehen vieler internationaler Restaurants und Geschäfte verantwortlich sein sollte, hatte gerade erst begonnen. Noch war die Auswahl an Lebensmitteln für europäische Begriffe äußerst begrenzt. Es gab keine Sahne, keinen Quark oder Joghurt, nur Milch. Keine Brötchen oder verschiedene Brotsorten, nur Weißbrot. Es gab keine gute Wurst, nur künstlich eingefärbte rote Würstchen. Und es gab nur gesalzene Butter, mit der auch Kuchen gebacken wurde.
    Eva hatte versucht, damit zu backen, aber das Resultat schmeckte einfach scheußlich. Wie konnte man einen Apfelkuchen nur mit salziger Butter backen? Sie regte sich maßlos über diese Dinge auf, wie auch über die Einstellung der australischen Bevölkerung den Einwanderern gegenüber.
    Eva bildete sich ein, bei den Kunden, die unregelmäßig in die Reinigung kamen, auf Ablehnung zu stoßen. Dabei wurde sie weder unfreundlich noch unhöflich behandelt, sondern nur so gut wie gar nicht beachtet, genau so, wie es wahrscheinlich in einer Reinigung in Deutschland auch der Fall gewesen wäre. Eva vermisste den Bürotratsch, die vielen Gespräche mit den Kollegen, die sie zu Hause als selbstverständlich betrachtet hatte. Die unpersönliche Arbeit hinter einer Ladentheke entsprach überhaupt nicht ihrem Naturell, und da sie die beiden grundverschiedenen Anstellungen, die frühere und die jetzige, direkt miteinander verglich, schob sie nicht nur die kleinen Entbehrungen, die sie in ihrer neuen Heimat erdulden musste, sondern auch ihre berufliche Unzufriedenheit auf Land und Leute.
    Hinzu kam, dass sie noch mit niemand außerhalb ihres kleinen Kreises verkehrte. Umso mehr freute sie sich auf ihre Gespräche mit Johanna. Nie kam es Eva in den Sinn, dass sie eigentlich nur Monologe führte, mit denen sie ihren Frust bei Johanna ablud, ohne jemals zum eigentlichen Kern der Sache zu kommen. Nie sprach sie aus, wie unglücklich sie wirklich war und wie sehr sie ihre alte Heimat vermisste. Stattdessen versteckte Eva ihre tiefe Sehnsucht nach dem geregelten Leben zu Hause, ihrer Familie und den Gewohnheiten ihrer Jugend, hinter tausend albernen Beschwerden, bis sie schließlich selbst zu glauben begann, dass ihr nur Kleinigkeiten fehlten und sie sich schon noch an alles gewöhnen würde. Wegen einem Laib Schwarzbrot ging man doch nicht nach Deutschland zurück und gab damit zu, einen Fehler gemacht zu haben. Eva hätte auch nie von einem Fehler gesprochen, nicht einmal Johanna gegenüber.
    Doch manchmal, wenn sie alleine war, nahm sie eines dieser lappigen Toastbrote, presste es in ihrer Faust zu einem Klumpen zusammen und warf ihn gegen die Wand.

Kapitel 19
     
     
    Nachdem die Freunde aus dem Villawood Camp ausgezogen waren und Dieter regelmäßig zur Arbeit ging, litt Isabella unter der Eintönigkeit des Lagerlebens. Sie wollte raus aus dem Camp und in eine eigene kleine Wohnung ziehen, so wie Eva und Johanna, aber das war mit einem Gehalt so gut wie unmöglich. Dieter und sie verfügten über keinerlei Ersparnisse, doch die Makler verlangten eine hohe Vermittlungsprovision und die Besitzer forderten zwei Monate Kaution und den Nachweis, dass die Miete bezahlt werden konnte.
    Jeden Samstag fuhren sie und Dieter nach Cremorne, um ihre Freunde zu besuchen. Isabella wurden die regelmäßigen Treffen allerdings langsam lästig, denn Kurt prahlte ununterbrochen damit, wie viel er verdiente und wie viel er sparen konnte. Johanna hingegen wurde immer einsilbiger. Nur zu gerne hätte Isabella einmal mit Eva über Johanna gesprochen und sie gefragt, ob sie ebenfalls das Gefühl hatte, dass Johanna und Kurt eine seltsame Ehe führten. Aber Eva plapperte ihr zu viel und traf sich anscheinend auch oft mit Johanna. Da war es wohl besser, sich nicht einzumischen. Außerdem hatte sie gemerkt, dass sie auch mit Eva und Uwe nicht viel gemeinsam hatte. Wenn Isabella ehrlich zu sich selbst war, musste sie sich eingestehen, dass ihr alle unglaublich auf die Nerven gingen. Sogar

Weitere Kostenlose Bücher