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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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Dieter, ihr eigener Mann. Weil er angeblich so unglücklich in seinem Job war und sich völlig verkannt fühlte, jammerte er ununterbrochen. Warum musste er, einer der besten Werbefotografen Deutschlands, hier in diesem primitiven Land Requisiten abstauben? Wo doch North Sydney das Mekka der Werbeindustrie Australiens war und sich alle großen Agenturen in den modernen Hochhäusern entlang des Pacific Highways eingemietet hatten. Isabella kannte sie mittlerweile, zumindest dem Namen nach, alle. Jedes Mal wenn sie nach Cremorne fuhren, war ihr im Vorbeifahren die bunte Leuchtreklame der Werbeagenturen aufgefallen.
    „Bewirb dich dort doch einmal“, schlug sie Dieter vor. „Vielleicht suchen sie ja gerade einen Fotografen.“
    Aber er wollte oder konnte nicht. Er hätte nicht genug Zeit dafür, beklagte er sich, oder er beschwerte sich, er habe niemanden am Telefon erreicht. Man müsse Beziehungen haben und denjenigen kennen, der für die Vergabe freiberuflicher Arbeiten zuständig war. Jedes Mal hatte er eine andere Ausrede parat. Egal wie sehr Isabella ihn auch drängte, ob sie schmollte oder schmeichelte, er unternahm einfach nichts. Seine lahmen Ausreden gipfelten eines Tages in dem Vorwurf, dass sie als seine Frau doch wohl für sein Weiterkommen zuständig sei! Andere Frauen würden sich schließlich auch um die beruflichen Belange ihrer Künstler-Gatten kümmern! Vor allem, wenn sie selbst arbeitslos wären und den ganzen lieben langen Tag nichts zu tun hätten!
    Also zog sie, mit Dieters Portfolio unter dem Arm, los und stellte sich, beziehungsweise ihn, bei allen möglichen Agenturen vor. Immer wieder, bei allen Art Directors, Creative Directors, Account Executives und sonstigen Angestellten, die bereit waren ihr zuzuhören, bis hin zum Office Boy, der für den Teeausschank zuständig war. Ihr Wortschatz und ihre Aussprache wurden im Laufe dieser Anbiederungsaktionen immer besser.
    Auf diese Weise lernte sie eines schwülen Tages im Februar auch Hal Singelton kennen. Er war Mitte vierzig, fast schon zu alt für die Werbebranche, aber er war der Boss einer angesehenen Agentur in North Sydney, direkt am Pacific Highway. Seine spärlichen Haare hatte er sich in dünnen Strähnen über seine Halbglatze gekämmt, ein Fehler, den viele Männer mit schütterem Haar begingen. Aber das tat seinem Selbstbewusstsein keinen Abbruch. Immerhin war sein Bauch flach wie ein Waschbrett, wenn er sich darauf konzentrierte, ihn einzuziehen. Außerdem hatte er einen überdurchschnittlich langen Penis, weshalb er gerne und regelmäßig die Sauna besuchte. Als er Isabella am Empfang stehen sah, kam Spannung in seine gelangweilte Schreibtisch-Haltung. Er taxierte sie, wie ein Raubtier seine Beute begutachtet, bevor es zum Sprung ansetzt. Sie trug ein dünnes ärmelloses Sommerkleid und keinen Büstenhalter. Ihre Brustwarzen zeichneten sich in der kalten klimatisierten Zimmerluft deutlich ab, und seine ganze Mimik zeigte deutlich, dass er sich bereits vorstellte, wie sich ihre schlanken braunen Glieder auf seinem Bett räkelten. Er bat sie in sein Büro, schaute sich Dieters Mappe nur ganz oberflächlich an, versprach, ihn beim nächsten Auftrag einzusetzen, und bot Isabella dann einen Job als seine persönliche Assistentin an. Die Stellenbeschreibung klang vage, das angebotene Gehalt war nicht üppig, und das verdächtige Glitzern in Hals Augen machte Isabella nervös.
    „Ich werde darüber nachdenken“, sagte sie.
    „Aber nicht zu lange“, erwiderte Hal Singelton mit der Selbstsicherheit eines Mannes, der sich im Vorteil befindet. „Du kannst am Montag um neun Uhr anfangen, oder der Job gehört einer anderen.“
    Am Samstagabend saßen die Freunde wie üblich beisammen, und Dieter hatte offensichtlich mit den anderen abgesprochen, Isabella zu bearbeiten. So einen Job müsse man sofort annehmen, war die einhellige Meinung. Wie konnte sie da auch nur eine Sekunde zögern? Es war bestimmt nicht der am besten bezahlte, aber da sie keinen anderen hatte oder dafür aufgeben musste, konnte sie sich doch wirklich nicht beklagen.
    „Außerdem“, erklärte Dieter, „ist dies lediglich ein Einstieg! Immerhin ist sie dann schon einmal in der richtigen Branche.“
    „Moment Mal“, beschwerte sich Isabella, „ich sitze hier mit euch am Tisch! Sprich also nicht über mich, als ob ich überhaupt nicht vorhanden wäre. Außerdem ist es deine Branche, nicht meine.“
    „Egal“ meinte Kurt, „du musst an deinen Mann denken. Es wäre

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