Die Auswanderinnen (German Edition)
vorteilhaft für ihn, wenn du in seiner Branche arbeitest.“
„Warum?“, bockte sie.
Kurt konnte es nicht fassen. „Na hör mal, so blöd kannst du doch gar nicht sein. Du kannst ihm dort Kontakte verschaffen, damit er wieder in seinem Beruf arbeiten kann.“
„Ich dachte, du hältst nichts von seinem Beruf“, giftete Isabella zurück. „Als was hast du ihn gleich noch mal bezeichnet? Als Schwulenmaloche, wenn ich mich nicht irre.“
„Ist doch scheißegal! Hauptsache die Kohle stimmt, oder?“
Sogar Uwe, der sich sonst immer zurückhielt, pflichtete ihm diesmal bei. Man solle sich immer so weit wie möglich absichern und eine zweite Einnahmequelle könne nie schaden. Oder wolle sie etwa nicht arbeiten?
„Dann könntet ihr auch endlich in eine eigene Wohnung ziehen. Wenn du dein Gehalt sechs Wochen lang sparst, reicht es für die Kaution“, rechnete ihr Eva vor.
Isabella hob zu einer Erwiderung an, aber wie hätte sie ihnen erklären sollen, dass Hal Singelton etwas für sein Geld haben wollte, das sie nicht bereit war zu geben? Was aber, wenn sie sich täuschte – und er vielleicht doch nichts von ihr wollte?
Also trat sie ihre neue Anstellung am kommenden Montagmorgen an und stellte bald darauf fest, dass sie sich keineswegs geirrt hatte. Schon nach einer Woche ging ihr Chef in die Offensive, betatschte sie bei jeder Gelegenheit, machte anzügliche Bemerkungen und stieß unterschwellige Drohungen aus. Sie versuchte ihm auszuweichen, soweit es ihr als seine persönliche Assistentin möglich war. Dennoch lagen die Spielregeln nach vier Wochen auf dem Tisch. Entweder sie akzeptierte seine Einladung zu einer Mittagspause im Motel, oder sie war ihren Job los.
Es gab keinen Menschen, mit dem sie darüber reden konnte. In der Agentur selbst konnte sie sich nicht beschweren, denn Hal war dort der unangefochtene Platzhirsch! Und in ihrem Freundeskreis würden sie nur denken, dass sie keine Lust zu arbeiten hatte. Auch Dieter würde ihr keine Hilfe sein, sondern wahrscheinlich noch annehmen, sie hätte Hals Benehmen provoziert. Er hatte sie schon öfters gebeten, sich dezenter zu schminken und weniger auffällig zu kleiden.
Außerdem hatten sie sich erst gestern eine Wohnung in Mosman angesehen, die nicht weit von der Agentur und den Freunden entfernt lag. Ein richtiger Glücksgriff wäre sie, so hübsch, gemütlich und günstig. Dieter hatte seither begonnen ihr vorzuschwärmen, wie erfolgreich er sein würde, wenn er nur erst einmal wieder in seinem ursprünglichen Beruf tätig wäre, und wie hilfreich es wäre, wenn sie endlich eine Wohnung hätten, in die sie auch Leute einladen könnten, die ihn beruflich voranbringen würden. Und eines Abends hatte er sogar zu ihr gesagt, wie stolz er auf sie sei. Es waren genau die gleichen Worte, die ihr Vater immer gebraucht hatte, wenn er sie zu höheren Leistungen hatte anspornen wollen: „Weißt du eigentlich, wie stolz ich auf dich bin, Prinzessin?“
Das hatte schon damals funktioniert, und es funktionierte noch immer. Am nächsten Tag befanden sich ihr Chef und sie bis zum späten Nachmittag in einer äußerst wichtigen Besprechung, und diese Art von Besprechung häufte sich in den folgenden Monaten.
Isabella und Dieter zogen in die Wohnung, die sie sich so sehr gewünscht hatten, und nun trafen sich die drei Paare wieder öfter. Sie verbrachten ganze Wochenenden zusammen, gingen an den Strand nach Manly, besuchten den botanischen Garten um das Opernhaus, erkundeten die Stadt in ausgedehnten Streifzügen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, oder saßen einfach nur beisammen, tranken Bier oder billigen Rotwein, und die Männer bestätigten sich gegenseitig, wie viel Glück sie doch gehabt hatten. Alle hatten sie Arbeit gefunden, waren dem Camp entkommen und lebten in einer aufregenden Großstadt mit fantastischem Wetter, weit weg von dem grauen Alltag, den sie in Deutschlands gekannt hatten.
Isabella erzählte nie freiwillig etwas von ihrer Arbeit. Wenn sie jedoch danach gefragt wurde, verlor sie sich in weitschweifigen Ausführungen, die allen vor Augen führten, wie kompliziert und phänomenal aufregend ihr neues Berufsleben war. Und ihre Kollegen waren so sagenhaft nette Leute. Ihr Chef auch! Überhaupt war sie ja so froh, in Australien zu sein. In Deutschland wäre sie nie so weit gekommen!
Nur Johanna stimmte in das allgemeine Loblied der Freunde über ihr fantastisches neues Leben in diesem fantastischen neuen Land nicht mit ein, aber sie sagte
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