Die Auswanderinnen (German Edition)
Ist ja egal, wen kümmert es schon, obwohl ich auf der Baustelle ja nicht erlaube, dass gesoffen wird. Aber wir waren für heute fertig, wollten nur noch die Platten abladen und dann Feierabend machen. Also, ich sitz da und schau mir den Verkehr an, und was sehen meine Augen? Da kommt doch glatt ein Paar aus dem Hotel gegenüber, das mit der Kneipe unten drin und den Zimmern oben drüber, die stundenweise vermietet werden. Na, jedenfalls sehe ich die Leute und denke mir, die kenne ich doch. Also, sie kenne ich jedenfalls, ihn nicht. Und als sie aufhören rumzuknutschen und er ihr noch einen Klaps auf den Hintern gibt und sich wegdreht, schaut sie in meine Richtung, allerdings ohne mich zu bemerken, und ich erkenne sie. Es ist Isabella, wie sie leibt und lebt. Jetzt trifft mich doch der Schlag. Da steht Isabella mit einem Kerl, der ganz und gar nicht wie Dieter aussieht, und mir wird klar, dass es auch nicht der Dieter ist. Also, die Isabella, die betrügt den Dieter! Ich hätte ja beinahe was gesagt, heute Abend. Nicht zu Dieter, natürlich nicht, das wäre gemein, das kann ich nicht. Aber zu ihr – dem Miststück, dem verkommenen! Hab dann gerade noch meine Zunge im Zaum halten können. Bist doch nicht blöd, denk ich. Wenn du es richtig anstellst, kannst du da später vielleicht noch was draus machen. Wenn sie es schon mit jedem treibt, denk ich mir, dann soll es mein Schaden nicht sein. Jetzt muss ich mir nur noch gut überlegen ... Ja, ja, gut überlegen ...“
Seine letzten Worte waren in ein dumpfes Schnarchen übergegangen, das im Laufe der Nacht immer lauter wurde.
Johanna lag noch lange wach und wurde im Fieber von schrecklichen Vorstellungen heimgesucht. Was er Isabella und ihr, oder ihnen beiden, antun würde. Von Fieberanfällen und Hass geschüttelt, schlief sie schließlich erschöpft ein. Am nächsten Morgen war sie sich nicht mehr sicher, ob er ihr den Vorfall wirklich erzählt oder ob sie ihn fantasiert hatte. Sicherheitshalber verlor sie deshalb kein Wort darüber, nicht zu Kurt, nicht zu Dieter, und vor allem nicht zu Isabella.
Kapitel 23
Isabellas Treffen mit Hal Singelton hatten einen vertrauten Rhythmus angenommen, fast wie in einer Ehe. Einmal die Woche gingen sie in ein Hotel, verbrachten dort ziemlich genau zwei Stunden mit einem niemals variierenden Liebesspiel, das Hal als aufregend und Isabella als nicht unangenehm empfand. Er machte ihr Komplimente und verwöhnte sie auch während der Arbeitszeit, wodurch sich Isabella nicht mehr ganz so schmutzig und verkommen vorkam wie nach dem ersten Mal. Hal war nett, aber auch nicht viel anders als Dieter. In unwichtigen Dingen konnte sie ihn manipulieren. Er gab ihren Launen nach und hatte keine eigene Meinung. Nur wenn es um die Durchsetzung seiner Bedürfnisse ging, behielt er die Oberhand. Letztendlich waren es immer die Männer, die das Sagen hatten! Dieter schmollte so lange, bis Isabella ihn im gesamten Kundenkreis der Agentur anpries und ihm Aufträge zuschanzte, und nahm dafür ihre Angriffe und Beleidigungen, die aus ihrem permanent schlechten Gewissen ihm gegenüber herrührten, in Kauf. Kein Vorwurf war hart genug, um ihn wachzurütteln. Er wollte einfach nicht verstehen, dass die Situation in der Agentur sie belastete und ihre Ehe ruinieren würde. Hauptsache, seine Frau behielt ihre Anstellung, die ihm Kontakte mit der Branche ermöglichte! Und genau so war auch Hal. Er gab ihren Gehaltsforderungen nach, erweiterte ihr Aufgabenfeld, wie sie es sich wünschte, und schmunzelte über ihre Allüren. Aber ihre offizielle Position blieb davon unberührt! Sie war seine persönliche Assistentin und zweimal in der Woche seine Geliebte. Und so wurde sie in den darauffolgenden zwei Jahren zur teuersten Assistentin ganz Australiens. Die genaue Höhe ihres Gehalts verschwieg sie Dieter und zahlte einen Teil davon Monat für Monat auf ihr eigenes Konto ein.
Noch immer versuchten sie und Dieter sich jede Woche mit den alten Freunden zu treffen. An manchen Wochenenden hatten sie aber keine Lust auf deren einfache Vergnügungen, die unverändert über die Zeit beibehalten worden waren. Noch immer stellten die Freunde keine größeren Ansprüche, obwohl auch sie inzwischen finanziell bessergestellt waren. Ihnen genügten die gemeinsamen Grillabende mit billigen, rotgefärbten Würstchen und Kartoffelsalat, und ab und an mal ein Strandbesuch, eine Stadtfahrt oder ein Kinoabend. Isabella sagte zu, sooft sie und Dieter nichts Besseres
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