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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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bereits mehr als ausreichend, wie bei ihnen allen. Er konnte Anweisungen geben, mit Lieferanten sprechen und mit der Bauleitung Probleme diskutieren. Sein Verdienst lag bei über hundert Dollar die Woche, er hatte kaum Abzüge und war sehr zufrieden. In Deutschland hatte er als gelernter Facharbeiter nach Abzug der Steuern weit weniger herausbekommen, da war es hier viel besser. Man bezahlte seine Medicare-Beiträge pünktlich und war damit krankenversichert, was wollte er sonst noch? Für ihn konnte es immer so weitergehen.
    Nach dem dritten Bier machten sie sich auf den Weg zu den Frauen, die schon, oder immer noch, bei Kaffee und Keksen saßen. Isabella war für die Nachspeise zuständig gewesen und hatte eine Riesendose Kekse gekauft, weil ihr nichts anderes eingefallen war. Johanna hatte Salate zubereitet und Eva Schweineschnitzel mariniert. Sie würden den Grill mitnehmen und ganz vorne an der Landzunge, neben der Anlegestelle der Cremorne Fähre, ihr Fleisch grillen und ein typisch australisches Barbecue veranstalten. Eigentlich hatten die Frauen nicht viel vorbereiten müssen, aber es war ihnen nur recht gewesen, die Männer für eine Weile aus dem Haus zu haben.
    „Johanna, geh rüber in unsere Wohnung und hol das Bier“, sagte Kurt. Es klang wie ein Befehl, aber er hatte den Arm um ihre Schulter gelegt und freundlich dabei gelächelt. Sie sprang sofort auf und verließ Evas Wohnung.
    Währenddessen machten sich die anderen fertig, packten die vorbereiteten Speisen und das Geschirr in die Taschen und rollten die Decken zusammen. Uwe klappte den Grill auf dem winzigen Balkon zusammen, und Dieter füllte leere Wasserflaschen auf. Es konnte losgehen.
    Sie gingen in den Hausflur, wo Kurt zum Zeichen dafür, dass sie nun Aufbruch bereit waren, kurz an seine Wohnungstür klopfte und Johanna sofort mit einer mit Bierdosen gefüllten Tasche aus der Wohnung kam.
    „Komm, gib mir die Tasche“, bot ihr Dieter an, der nur eine Decke trug.
    „Schon gut“, winkte Kurt ab. „Das geht schon. Ist nicht schwer, Johanna, oder? Nimm mir lieber das hier ab.“ Er reichte Dieter eine seiner weitaus größeren Taschen.
    Dann marschierten sie los. Johanna ließ sich zurückfallen und trottete hinter den anderen her, damit sie nicht sehen konnten, wie sehr sie sich abmühte. Die Tasche war wirklich nicht allzu schwer, aber ihr Gesicht war dennoch vor Anstrengung gerötet. Seit Tagen kämpfte sie schon mit einer Erkältung und leichtem Fieber. Ihre Glieder schmerzten und ihr Kopf fühlte sich schwer und wie in Watte gepackt an. Eigentlich hatte sie sich übers Wochenende auskurieren wollen, um am Montag wieder fit für die Arbeit zu sein, aber Kurt hatte darauf bestanden, dass sie mitkam.
    „Was soll das?“, hatte er geschimpft. „Wie sollen wir ohne dich unser Einjähriges feiern? Seit wir hier angekommen sind, haben wir schließlich immer alles zu sechst gemacht. Da kannst du doch jetzt nicht kneifen. Reiß dich gefälligst zusammen. So schlimm wird es schon nicht sein. Du bist immer so empfindlich.“ Und wie zur Bestätigung seiner Worte hatte er ihr Ohr zwischen seine Finger genommen und so lange daran gedreht, bis sie aufgeschrien hatte. „Siehst du, immer so empfindlich“, hatte er gelacht.
    Später am Abend, als sie bereits gegessen hatten, auf den Decken lagen und die Boote im Hafen vorbeisegeln sahen, legte er wieder seinen Arm um ihre Schultern und Johanna zuckte zusammen. Und noch später, wieder in der Wohnung, als er ihr seinen Bierdunst ins Gesicht rülpste, während er auf ihr lag, schützte sie ihr Ohr, das immer noch ganz rot und heiß war, mit der Hand. Es war ein lauer Abend gewesen, aber leider nicht warm genug, um ihre Erkältung zu lindern, und nun fröstelte und schwitzte sie zugleich. Kurt störte es nicht. Nachdem er befriedigt war, rollte er sich zur Seite, verschränkte seine Arme unterm Kopf, und begann mit leiser Stimme zu reden, als würde er sich selbst eine Geschichte erzählen. In seinem Bierrausch schien es ihm völlig gleichgültig zu sein, ob seine Frau ihm zuhörte oder nicht.
    „Heute Mittag war ich mit Jack unterwegs, noch schnell ein paar Dachplatten aufladen. Die waren uns doch glatt ausgegangen. Wir sind den Pacific Highway hochgefahren, nach Roseville, zur Baustelle zurück. Jack hat in Chatswood angehalten, er wollte nur noch schnell Zigaretten holen. Ich denke, er hat zwischendrin wohl auch noch ein Bier gezischt, weil es doch etwas länger gedauert hat, bis er zurück war.

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