Die Auswanderinnen (German Edition)
vorhatten. Doch Isabella hatte oft andere Pläne, denn ganz langsam tauten die Mitarbeiter in der Agentur auf und begannen sie, die Ausländerin mit dem südländischen Aussehen, deren Aussprache noch immer mit einem deutlichen Akzent behaftet war, zu australischen Vergnügungen einzuladen. Isabella nahm jede Einladung an, obwohl sie fast jedes Mal mit dem unweigerlich australischen Kampftrinken verbunden war, und organisierte Gegeneinladungen. Es war ein zähes Ringen um Akzeptanz. Vielleicht hatten Kurt und Uwe ja Recht, wenn sie behaupteten, die Australier würden die Einwanderer nicht mögen. So formulierte es zumindest Kurt, Uwe sprach eher von einem angeborenen Misstrauen gegenüber allem Fremden.
Isabella argumentierte bei dieser Art von Gesprächen dann immer, dass daran wohl eher der Snobismus schuld sei, den sie, die Deutschen, an den Tag legten. Nur wenn man sich auch ehrlich um Integration bemühen und vor allen Dingen erst einmal die Sprachbarrieren überwinden würde, wäre es möglich, sich erfolgreich einzugliedern. Ihre Überzeugungskraft überraschte sie dabei selbst, denn in ihrem tiefsten Inneren glaubte sie eigentlich gar nicht an das, was sie da verkündete. Hal hatte ihr einmal gesagt, die Australier hätten einen ausgemachten Inselkomplex, weil sehr viele noch nie ein anderes Land besucht hätten, keine andere Sprache kennen und daher auch andere Kulturen nicht verstehen würden. Wie sollten sie auch! Der ganze große Kontinent war ihr Land, und Europa und der Rest der Welt waren weit, weit weg. Das hatte ihr damals eingeleuchtet, und außerdem war Hal ein echter Australier, er musste es schließlich wissen.
Isabella wollte mehr von diesem Land sehen. Einmal fuhr sie mit Hal nach Melbourne, geschäftlich natürlich, und kurz darauf auch mit Dieter. Sie waren auch schon einmal nach Brisbane gefahren, um dort eine Woche Urlaub zu machen, aber zu weiter entfernten Reisezielen hatte ihnen bisher die Zeit und das Geld gefehlt. So verhielt es sich auch bei den zwei anderen Paaren, keines von ihnen war in den zwei Jahren seit seiner Ankunft über die Stadtgrenze von Sydney hinausgekommen. Bis zu ihrem dritten Osterfest, da überraschte Kurt sie alle.
„Habt ihr Lust, die Feiertage in Lightning Ridge zu verbringen?“, fragte er.
„Wo ist denn das?“, wollte Eva wissen.
Kurt lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust, die durch die tägliche Schinderei auf der Baustelle noch massiger geworden war. „Das ist eine kleine Stadt im Landesinneren, kurz vor der Grenze zu Queensland. Sie ist für ihre Opalminen bekannt.“
„Und was, bitte schön, sollen wir da?“, fragte Isabella. „Mitten im Busch? Wo sich Füchse und Hasen Gute Nacht sagen! Da sollen wir Ostern verbringen? Ich bitte dich! Das klingt nicht besonders aufregend.“
Er sah sie mitleidig an und hätte beinahe erwidert: „Das ist natürlich nicht so aufregend wie ein Nachmittag in einem bestimmten Motel, mit einem bestimmten Typen!“, aber er verkniff sich die Spitze und wandte sich demonstrativ an Uwe und Eva: „Ich habe in der Zeitung gelesen, dass sie dort einen riesigen schwarzen Opal gefunden haben, der ein Vermögen wert ist. Schwarze Opale gibt es nur in der Gegend um Lightning Ridge. Das ist der einzige Ort auf der Welt, an dem bislang welche gefunden und ausgegraben wurden.“ Begeisterung schwang in seiner Stimme mit und bewirkte, dass ihm nun alle zuhörten. Nur Johanna sah ihn nicht direkt an. „Dort hat sich vor Urzeiten das Silikat, das zwischen den Lehmschichten der unterirdischen Gesteinsformationen fließt, durch bestimmte, einzigartige Umwelteinflüsse in eine harte Masse verwandelt, und die darin eingeschlossenen Fossilien und Pflanzen versteinert, beziehungsweise opalisiert, sodass ihre fantastischen Verformungen wie ein Feuermeer strahlen. Der schwarze Opal ist wirklich sehr dunkel, aber sein Name täuscht, denn er hat dennoch alle Spektrum Farben in sich. Und die leuchten geradezu phänomenal, wie Blitze im Sonnenlicht. Es sind äußerst seltene Steine, die fast unbezahlbar sind.“
„Das ist ja interessant“, fand Uwe, der sich im Stillen darüber wunderte, wie wortgewandt Kurt seinen kleinen Exkurs vorgetragen hatte. Bestimmt hatte er ihn zuvor auswendig gelernt.
„Irrsinnig interessant!“ Isabella verdrehte die Augen. Jetzt fing Kurt anscheinend völlig zu spinnen an. Total abgehoben! Aber niemand ging auf ihren schnippischen Tonfall ein. Im Gegenteil. Uwe fragte
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