Die Auswanderinnen (German Edition)

hat, von der er nicht mehr zurückgekommen ist. Meine Unterschrift steht auf dem Protokoll. Da habe ich gelogen, Isabella! Das habe ich für Johanna und für dich getan! Du kannst also nicht allen Ernstes behaupten, dass wir mit der ganzen Sache nichts zu tun haben.“
    „Das sage ich auch nicht!“ Isabella bremste hektisch, obwohl kein Tier über die Straße lief, und weit und breit kein Auto in Sicht war. Sie verstand selbst nicht, warum sie plötzlich so erregt war. Schnell nahm sie den Fuß von der Bremse und trat wieder aufs Gas. „Entschuldige! Ich bin vom Gas gerutscht“, erklärte sie. „Ich habe nie behauptet, dass wir mit der Sache nichts zu tun hatten ...“
    „Doch, das hast du eben“, fiel ihr Eva ins Wort.
    „Okay, okay“, beschwichtigte Isabella. „Ich meine, wir haben heute nichts mehr damit zu tun. Natürlich hast du nicht persönlich gesehen, wie Johanna Kurt weggefahren hat, aber wen interessiert das schon? Wir waren bei der Jagd nicht dabei und haben den Unfall nicht miterlebt, können also beim besten Willen nicht sagen, wie er sich ereignet hat. Johanna ist die Einzige, die Bescheid weiß, was auf dieser Jagd wirklich passiert ist, verstehst du? Bisher hat allerdings noch kein Mensch irgendwelche Anschuldigungen gegen Johanna erhoben oder ihr Vorwürfe gemacht, stimmt’s? Wenn Johanna nun also durchdreht, wie das anscheinend am Telefon der Fall war, dann ist das ihre Sache, und sie wird ihre Gründe dafür haben – aber wir können rein gar nichts dagegen tun!“
    „Willst du damit sagen, nur Johanna würde etwas über die Sache von damals wissen?“
    „Warum denn nicht?“, fragte Isabella. „Sei vernünftig und denk mal darüber nach. Tatsache ist, dass niemand weiß, wie Kurt gestorben ist. Johanna ist die Einzige, die weiß, ob er auch tatsächlich zur Jagd gegangen ist, weil sie ihn alleine dorthin gefahren hat. Wir beide waren nicht dabei! Johanna muss sich nur einfach wieder in Erinnerung rufen, was sie damals genau zu Protokoll gegeben hat und es, falls nötig, noch einmal nachdrücklich bestätigen. Damit dürfte die Angelegenheit dann endgültig erledigt sein.“
    „Aber wenn sie das nicht tut und die Nerven verliert und etwas Falsches sagt, dann hängen wir alle mit drin, oder etwa nicht?“
    Isabella überlegte. „Irgendwie schon, aber ich sehe das nicht so problematisch. Was soll denn schon geschehen? Im schlimmsten Fall, falls Johanna durchdreht und Unsinn von sich gibt, fahren wir eben wieder weg.“
    Eva begriff. Im schlimmsten Fall würde Isabella nicht wegfahren, sondern wegfliegen. Zurück nach Europa – und damit wäre das Problem für sie gelöst. Eva konnte es ihr nicht einmal verdenken, mahnte aber leise: „Nicht jeder kann einfach abhauen. Dies ist inzwischen meine und auch Johannas Heimat. Wir können nicht so einfach wieder weg wie du, selbst wenn wir wollten.“
    Isabella wurde ungeduldig und schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad. „Natürlich könntet ihr das! Jeder kann kommen und gehen wie er will. Du interpretierst mich dauernd falsch. Ich meine doch nicht, dass ich abhauen und dich im Stich lassen würde. Ich habe lediglich vom schlimmsten Fall gesprochen und das bedeutet für mich, dass, sollte sich dieser Bill Wiseman tatsächlich an Kurt erinnern und wegen des Skeletts Verdacht schöpfen und uns dumme Fragen stellen, wir ganz einfach nach Sydney zurückfahren. Kein Hahn wird dort nach uns krähen. Glaubst du wirklich, dass die Sache so wichtig ist, dass sie uns deswegen nach Lightning Ridge zurückbeordern werden? Sei nicht albern. Nehmen wir einmal an, es sind tatsächlich Kurts Überreste. Dann werden sie sich höchstens fragen, woran er wohl gestorben ist ...“
    „Und warum sein Schädel ein Loch hat“, warf Eva ein.
    „... richtig! Also, der Schädel hat ein Loch. Na und? Dafür kann es eine Menge Gründe geben. Vielleicht hat er sich eine Kugel in den Kopf gejagt! So etwas hinterlässt nun mal Spuren. Oder er ist unglücklich gestolpert und hat sich an einem Stein verletzt. Ist verblutet, und dann wurden seine Knochen von wilden Tieren verschleppt. Das Skelett ist außerdem bestimmt nicht vollständig. Ich vermute, sie haben nur einen Teil davon gefunden, den Schädel und ein paar Knochen. Aber das wissen wir nicht. Nichts wissen wir, zumindest nichts Genaues!“
    „Und wenn es doch vollständig ist? Und warum lag es an diesem Ort?“, fragte Eva.
    „Du meinst, weil das Skelett nicht in dem Gebiet gefunden wurde, in dem Kurt