Die Auswanderinnen (German Edition)
angeblich jagen ging und von dem Johanna in ihrem Bericht gesprochen hat?“
„Ja, genau.“
„Mit dem Gebiet hat sich Johanna damals eben geirrt. Der Stress, der Schock, und so weiter! Oder Kurt ist einer Fährte gefolgt und hat sein ursprüngliches Jagdrevier verlassen. Vielleicht ist er auch in ein Bohrloch gefallen, das kommt doch vor. Es gibt tausend verschiedene Erklärungen für das, was passiert sein könnte. Glaube mir, man kann nach dreißig Jahren eine Menge erklären, wenn man einigermaßen mitdenkt. Aber das ist Johannas Problem, nicht unseres. Vielleicht sollte sie für eine Weile verschwinden. Dann kann ihr niemand Fragen stellen, und die Nachforschungen über das, was war oder gewesen sein könnte, verlaufen im Sand.“
„Du hast dir offensichtlich weit mehr Gedanken darüber gemacht als ich“, gab Eva zu. „Ich habe an alles andere gedacht, nur nicht daran, wie Kurts Tod zu erklären ist. Vielleicht weil ich mich nach all dieser Zeit einfach nicht mehr damit auseinandersetzen wollte. Die arme Johanna! Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich verrückt macht. Du hast wahrscheinlich recht, wegfahren wäre das Beste für sie. Aber wohin sollte sie gehen? Das hier ist doch ihr Zuhause.“ Eva sah das Ortsschild vor sich auftauchen und unmittelbar dahinter die einstöckigen Häuser von Lightning Ridge mit ihren kleinen Gärten, eingezäunt mit grauem Maschendraht, über den sich blühende Zweige bogen. Das Dorf sah hübsch aus, wie der gepflegte Vorort einer kleineren Stadt.
„Ich habe schon eine Idee“, meinte Isabella. „Johanna kommt mit mir. Ich nehme sie mit mir zurück nach Deutschland.“
„Das ist doch nicht dein Ernst?“, fragte Eva fassungslos. „Du kannst doch nicht erwarten, dass sie hier alles stehen und liegen lässt!“ Dann deutete sie nach rechts. Hier mussten sie abbiegen. Soweit sie sich erinnerte, lag Johannas Grundstück am Ende der Straße, und tatsächlich hatte sie sich nicht geirrt. Eva erkannte das Haus sofort wieder, an dem sich äußerlich so gut wie nichts verändert hatte.
„Das muss sie auch nicht“, sagte Isabella, während sie auf das Haus zufuhr. „Ich spreche doch nur von einem Zeitraum von einigen Wochen oder Monaten, in dem sie von der Bildfläche verschwindet. Das wäre vernünftig, und außerdem war sie schon so lange nicht mehr in Deutschland, es würde ihr bestimmt Freude machen.“
„Das schon, aber ich glaube nicht, dass sie sich das leisten kann. So viel Geld hat sie nicht.“
„Braucht sie auch nicht. Ich werde ihr den Flug bezahlen. So, da sind wir!“ Isabella bremste ab und hielt direkt vor dem Tor an, auf das sofort ein Hund zugesprungen kam und wütend bellte.
„Das ist sehr großzügig von dir“, meinte Eva, die, wie auch Isabella, im Wagen sitzen blieb. Solange Johanna nicht auftauchte und der Hund sich benahm, als wolle er sie in Stücke reißen, würden sie keinen Fuß nach draußen setzen. „Vielleicht nimmt sie dein Geschenk ja sogar an, wer weiß das schon.“
Kapitel 25
Sydney, damals
Die Party wurde ein Desaster! Schon den ganzen Nachmittag über war Isabella grundlos gereizt gewesen. Dabei war alles perfekt vorbereitet. Die Wohnung sah nach ihrer gestrigen Putz- und Verschönerungsorgie wie die Vorführwohnung einer Immobilien-Hochglanzbroschüre aus. Die Getränke waren kalt gestellt, frische Blumen und Knabbergebäck waren überall dekorativ verteilt, und Dieter hatte sich um den Grill gekümmert und das Fleisch eingelegt. Später, wenn die Gäste alle genügend getrunken hatten und hungrig wurden, würden sie daher nur die Platten aus dem Kühlschrank nehmen müssen und jeder Gast würde sich sein Fleisch selbst grillen können. Alles sollte nach dem gleichen lässigen und vor allem bewährten Muster der Partys ablaufen, auf die sie nun schon unzählige Male von ihren Kollegen eingeladen worden war.
Isabella war bereits in ihr extra für dieses Fest erstandene Kleid geschlüpft, ein enges weißes Leinenkleid mit tiefem Ausschnitt, als Dieter, mit einem Bierglas in der Hand, im Schlafzimmer auftauchte und die Frechheit besaß, sie offen zu kritisieren. Sie solle vorsichtig sein, sonst würden ihr noch die Titten herausfallen.
„Musst du eigentlich immer so ordinär sein?“, fauchte sie ihn an. „Du bist einfach widerlich! Und überhaupt, seit wann interessierst du dich für meinen Busen? Titten! Allein deine Wortwahl bestätigt, wie wenig du von Frauen verstehst!“
Sie saß vor dem Spiegel und
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