Die Auswanderinnen (German Edition)
im Altenheim einhalten wollen, aber so lange wollte Kurt nicht mehr warten. Er brannte darauf, so schnell wie möglich in den Norden umzuziehen. Also tauchte sie wie Kurt eines Morgens einfach nicht mehr an ihrer Arbeitsstelle auf. Sie hatten ihre Wohnung leer geräumt, einen alten, heruntergekommenen Pick-up mit Anhänger gekauft, ihn mit ihrer ganzen Habe und dem Werkzeug, das Kurt in den vergangenen drei Wochen gekauft und auf der Baustelle zusammengestohlen hatte, beladen, und waren losgefahren. Nur ihre alten Freunde wussten Bescheid.
Uwe und Eva verbrachten den letzten Abend vor der Abreise mit ihnen.
„Ich bewundere euch“, sagte Uwe. „Ihr seid ganz schön mutig.“ Er stellte eine neue Bierdose vor Kurt und fragte Johanna, ob sie noch eine Cola wolle. Sie verneinte.
„Ach was“, schwächte Kurt ab. „Alles halb so wild. Ich hab einiges gespart, damit kommen wir gut über die Runden, bis ich die ersten Steine gefunden habe.“
„Trotzdem. Es ist ja völliges Neuland für dich. Ich kann mir vorstellen, dass es für dich nicht ganz einfach werden wird. Da oben ist das Leben doch ganz anders als hier in der Stadt.“
Eva war verblüfft über die Art von Heldenverehrung, die ihr Mann Kurt gegenüber an den Tag legte. „Für dich wird es auch eine ziemliche Umstellung werden, Johanna, nicht wahr?“, warf sie ein. „Freust du dich darauf?“
„Natürlich freut sie sich“, antwortete Kurt.
„Jetzt lass sie doch auch mal reden!“ Eva musterte Johanna etwas genauer. Seit wann war sie eigentlich so dünn? Und so blass?
„Ich freue mich sehr“, bestätigte Johanna, und Kurt nickte und nahm sie bei der Hand.
„Was ist eigentlich mit Dieter und Isabella?“, fragte er. „Warum sind sie heute Abend nicht gekommen? Du hast sie doch auch eingeladen, Eva, oder etwa nicht?“
„Klar doch! Aber Isabella fängt doch morgen bei dieser Import-Export-Firma an, bei der sie sich neulich vorgestellt hat. sie wollte zeitig zu Bett gehen, was ich auch verstehe. Ab morgen wird sie jeden Tag um sechs Uhr früh aufstehen müssen, während es in der Agentur doch immer erst nach neun losging. Die Agentur lag gleich um die Ecke, aber jetzt muss sie über die Harbour Bridge, da braucht sie über eine Stunde im morgendlichen Stoßverkehr.“
Kurt verzog das Gesicht zu einer abfälligen Grimasse. „Und Dieter braucht wohl seit Neuestem ihre Genehmigung, wenn er weggehen will? Darf wohl ohne sie nicht mehr aus dem Haus, der Waschlappen!“
„Sei nicht so hart“, lachte Uwe. „Dieter wird sie morgen früh zur Arbeit bringen. Sie will nicht mit dem Bus fahren und wird sich ein Auto zulegen. Aber bis sie ein günstiges gefunden hat, fährt er sie eben, ist doch klar.“
Kurt winkte ab. „Von mir aus kann er sie bis ans Ende der Welt fahren. Schließlich weiß man ja, wer von den beiden die Hosen anhat.“
„Vielleicht tut er das ja bald“, lachte Uwe. „Er will euch auf jeden Fall besuchen kommen, sobald es geht, soll ich dir ausrichten. Und ich ebenfalls.“
„Lightning Ridge liegt nun wirklich nicht am Ende der Welt“, widersprach Kurt und bot dann großzügig an, wobei er sich bereits ganz als Minenbesitzer fühlte: „Jedenfalls seid ihr jederzeit herzlich willkommen und könnt in meiner Mine mitschürfen, wenn ihr wollt. Die ungeschriebene Regel lautet, dass ihr, wenn ihr etwas findet, ein Drittel davon behalten könnt, der Rest gehört natürlich mir!“ Er verschwieg, dass das ungeschriebene Gesetz der Schürfer in solchen Fällen eine fünfzig-fünfzig-Aufteilung vorsah.
„Super!“ Uwe war begeistert. „Wir sind praktisch schon bei euch! Ihr könnt fest mit unserem baldigen Besuch rechnen. Ich bin sicher, Dieter und Isabella freuen sich schon genauso darauf wie wir.“ Er holte den Kalender und begann, gemeinsam mit Kurt Pläne zu machen.
Eva konnte es nicht fassen. Uwe schien sich wirklich auf den Ausflug zu den Opalminen zu freuen. So leutselig und unternehmungslustig war er schon lange nicht mehr gewesen, überhaupt glaubte sie ihn noch nie so sehr von etwas begeistert gesehen zu haben, seit sie ihn kannte. Und so fragte sie Johanna, ob und wann ihr ein Besuch denn recht wäre, als sie gemeinsam in der Küche abspülten.
„Jederzeit“, sagte Johanna. „Ich bin froh, wenn ihr kommt. Wirklich. Jederzeit.“
Kapitel 26
Lightning Ridge, heute
Das Wohnhaus lag gute zwanzig Meter zurückversetzt auf der linken Seite der gekiesten Einfahrt. Es hatte einen frischen weißen
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