Die Auswanderinnen (German Edition)
Anstrich, und buschige Ziersträucher blühten in üppigem Rosa neben der Haustür. Dessen inneres Metallgitter öffnete sich nun, und sie sahen Jo Ann aus dem Haus treten. Umständlich schloss sie die Tür hinter sich, wischte sich die Hände an ihrem weiten gelben T-Shirt ab und stopfte es danach in ihre Jeans. Die Hose war ihr eine Nummer zu groß und hing ihr formlos auf den Hüften. Ihr halblanges Haar sah aus, als hätte es dringend einen Schnitt nötig, widerspenstige Zotteln fielen ihr weit in die Stirn und verdeckten einen Teil ihres Gesichts. Trotzdem konnten Eva und Isabella erkennen, wie müde und gestresst sie aussah. Der Hund bellte immer noch wie verrückt.
Jo Ann ging mit langsamen, schweren Schritten die Einfahrt hinunter, winkte den Frauen mit einer sparsamen Handbewegung, die um Geduld bat, zu, nahm dann den kläffenden Hund am Halsband, führte ihn zur Werkstatt und schloss ihn ein. Auf dem Weg zurück zum Eingangstor blickte sie neugierig in Richtung Auto.
„Du lieber Himmel“, flüsterte Isabella und legte den ersten Gang ein, um durch das geöffnete Tor zu fahren. „Sie sieht ja schrecklich aus!“
Jo Ann deutete auf den freien Platz zwischen Haus und Werkstatt, wo sie den Wagen schließlich parkten und ausstiegen. Eva flog direkt in Jo Anns Arme. Diese war einfach stehen geblieben und hatte, ohne ein Wort und ohne ein Lächeln, ihre Arme ausgebreitet. Isabella hingegen war um das Auto herumgegangen und wartete. Endlich lösten sich die beiden Frauen aus ihrer schweigenden Umarmung und Eva, wie konnte es anders sein, begann sofort zu reden: „Wie schön dich wiederzusehen! Meine Güte, lass dich anschauen. Unglaublich! Du und Isabella, ihr habt immer noch die gleichen Figuren! Wie hast du nur dein Gewicht halten können? Du hast sicher kein einziges Gramm zugenommen? Aber du siehst mitgenommen aus, als hättest du die ganze Nacht nicht geschlafen, und geweint hast du auch. Du siehst furchtbar aus.“ Der letzte Satz war ihr aus Versehen herausgerutscht. Er war unhöflich, aber immer noch schmeichelhaft, angesichts Jo Anns elendem Aussehen. Mitleidig fuhr sie fort: „Aber sonst hast du dich gar nicht verändert.“
Jo Ann verzog ihr Gesicht zu einem schiefen Lächeln. „Wenn ich dich nicht besser kennen würde ...“, sagte sie kopfschüttelnd und ließ den Rest des Satzes unausgesprochen und wandte sich Isabella zu.
„Wie geht es dir?“, fragte sie und musterte Isabella mit gleichgültiger Trägheit. Isabella hatte die Sonnenbrille abgenommen und blinzelte im grellen Nachmittagslicht. Ihr Lidstrich war ein wenig verschmiert, aber ansonsten war sie perfekt gestylt. Das Designer T-Shirt hatte glitzernde Applikationen am Kragen, ihre Haare waren streng nach hinten gebunden, sie trug Goldkreolen an den Ohren und sah sehr chic, sehr gepflegt und sehr italienisch aus.
„Danke, gut. Und wie geht es dir?“ Isabella reichte ihr die Hand.
„Sagt mal, spinnt ihr!“, mokierte sich Eva. „Was soll denn das? Umarmt euch gefälligst, ihr tut ja gerade so, als ob ihr Fremde wärt.“ Sie beobachtete, wie sich die beiden Frauen daraufhin ihr zuliebe, mit einer flüchtigen Bewegung umarmten.
„Na also“, Eva war zufrieden. „So ist es schon besser. Mensch, Johanna ...“
„Jo Ann!“
„Äh, ja, also, Jo Ann, dass wir dich endlich einmal wiedersehen ...“
Jo Ann hatte sich aus der oberflächlichen Umarmung gelöst und reagierte nun auf Isabellas fragenden Gesichtsausdruck hin mit einem nochmaligen Hinweis auf die gewünschte Namensänderung: „Jo Ann, nennt mich bitte Jo Ann“, dann drehte sie sich um. „Kommt doch mit ins Haus. Wie war die Fahrt? Habt ihr Durst oder Hunger?“
Eva und Isabella folgten ihr ins Haus, und Jo Ann erklärte ihnen kurz, was es mit den Hunden auf sich hatte. Sie ließ Tiger nach draußen, da Ben nun sicher in der Werkstatt eingeschlossen war, und Eva drückte sich flach gegen die Wand, als Tiger an ihr vorbei durch die geöffnete Tür schoss. „Hast du immer noch Angst vor Hunden?“, fragte Jo Ann.
„Na ja, die beiden sehen ziemlich kräftig aus. Und der am Tor war ja geradezu furchterregend.“ Eva schloss schnell die Haustür und entspannte sich wieder.
„Hunde die bellen, du weißt schon ...“, beruhigte Jo Ann sie. „Sie sind harmlos, solange ich bei ihnen bin. Vor allem Ben, der führt sich immer so auf. Aber sobald er erkennt, dass ihr Freunde seid, wird er lammfromm.“
Eva glaubte ihr kein Wort.
„Nun, was ist?“, fragte Jo Ann.
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