Die Auswanderinnen (German Edition)
im Pub, bis sie alles besorgt hatte. Im Dorf wunderte sich niemand, wenn sie mit schmutziger Haut und verdreckter Kleidung auftauchte; denn dort sah jeder so aus, der direkt aus der Mine kam.
Den ganzen Winter ging das so. Jeden Morgen fuhren sie, noch in totaler Dunkelheit, zur Mine, um dann abends, wieder im Dunkeln, völlig erschöpft von der Arbeit zurückzukommen. Kurt trank sein Bier auf dem Klappstuhl vor dem Haus und starrte in die Finsternis, während sie den Haushalt machte. Sie hatte keine Ahnung, woran er dachte, wenn er so dasaß und vor sich hin schaute, vermutete aber, dass er überlegte, woran es lag, dass sie noch immer nichts gefunden hatten. Absolut nichts. Nicht einmal einen harmlosen, wertlosen Glitzerstreifen – nur feuchten Lehm und ein paar Gesteinsbrösel. Vielleicht sinnierte er aber auch über die Richtigkeit seiner Entscheidung, ihr gesichertes Leben in Sydney aufzugeben und hierherzukommen. Vielleicht auch nicht. Sie konnte nur Vermutungen darüber anstellen, denn er sprach nie mit ihr. Er gab ihr nur Anweisungen, was sie in der Mine zu tun hatte. Und solange sie ihm gehorchte, nichts hinterfragte und nicht aufbegehrte, ignorierte er sie und ließ sie sogar nachts in Ruhe. Er war viel zu müde, denn er schuftete wirklich wie ein Besessener von früh bis spät. Manchmal lag sie noch lange mit offenen Augen wach, aber die Nacht war undurchdringlich und sie konnte nichts sehen und nichts fühlen. Genauso wie während des Tages beherrschten Dunkelheit und Stille ihr Leben. Sie wusste, dass dieses finstere Leben nun ewig so weitergehen würde, aber sie bedauerte sich nicht. Sie fühlte überhaupt nichts.
Im September, es war inzwischen Frühling geworden, ohne dass sie es bemerkt hatten, trafen sie dann eines Abends, als sie von der Arbeit heimkehrten, ihre vier Freunde vor der Haustür an. Sie hatten im Pub nach ihrer Adresse gefragt und warteten nun schon seit über einer Stunde auf Kurts und Johannas Rückkehr.
„So eine Überraschung“, begrüßte sie Kurt, schien sich aber nicht richtig über ihren Besuch zu freuen.
„Ihr habt ja kein Telefon“, verteidigte Dieter den unangekündigten Überfall. „Deshalb wollten wir einmal nachsehen, ob ihr noch lebt.“
„Kommt rein in die gute Stube“, knurrte Kurt. „Setzt euch. Wir müssen uns erst umziehen, wir kommen direkt von der Mine.“
Uwe sah sich kurz um, bemerkte die spartanische Einrichtung, die aus zwei Plastikstühlen, einem wackeligen Holztisch und einer Couch bestand, die aussah, als wäre sie vom Sperrmüll geholt worden, und meinte dann schnell: „Klar doch. Wir wollen euch auch nicht weiter zur Last fallen. Wir haben im Motel vorne an der Hauptstraße zwei Zimmer gemietet. Wie wäre es, wenn wir uns dort später im Restaurant auf ein Bier treffen?“
„Okay“, sagte Kurt. „Geht schon mal vor. Ich komme gleich nach.“
„Wieso nur du?“, fragte Isabella. „Was ist mit dir, Johanna? Kommst du etwa nicht mit?“
Johanna öffnete den Mund, aber Kurt kam ihr zuvor: „Sie hat keine Zeit!“
Isabella und Kurt starrten einander an. „Du spinnst wohl?“, begehrte Isabella auf. „Wir fahren doch nicht achthundert Kilometer, um uns nur mit dir zu unterhalten. Kommt nicht infrage. Johanna kommt mit, oder wir Frauen bleiben hier bei ihr.“
„Wir können ja helfen, wenn sie etwas zu tun hat“, bot Eva etwas lahm an, weil Kurt plötzlich so wütend aussah. Vielleicht kamen sie ja wirklich ungelegen.
„Schon gut“, brummte Kurt. „Mach schon, Johanna. Wir wollen unsere Freunde schließlich nicht warten lassen.“
Auf dem Weg zum Motel fluchte Isabella leise vor sich hin. „Hab ich euch nicht gleich gesagt, dass es eine Scheißidee ist, einfach so zu Besuch zu kommen! Johanna hat eine Meise und lässt sich mittlerweile total von Kurt tyrannisieren. Und der ist jetzt anscheinend komplett durchgedreht. Habt ihr die Bude gesehen, in der sie hausen? Wenn ich Johanna wäre, würden mich keine zehn Pferde dort halten.“
„Du bist aber nicht Johanna“, sagte Dieter. „Johanna war schon immer recht genügsam, der wird es nichts ausmachen und dich geht es nichts an – außerdem sind wir nicht hier, um uns in ihre Ehe einzumischen, sondern um uns die Mine anzuschauen. Halt also einfach einmal deine große Klappe und verdirb uns nicht den Abend.“
Beleidigt wollte sie ihn zurechtweisen, erinnerte sich dann aber an das Abkommen, das sie mit Dieter getroffen hatte: Ein einziges Mal würde sie nach Lightning
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