Die Auswanderinnen (German Edition)
auf der Fahrt zur Mine besprochen. Kurt hatte vorgeschlagen, mit ihrer Hilfe einen kürzlich angelegten Schacht zu vergrößern, und danach gemeinsam eine Seitenwand zu erforschen. Er versprach sich viel von dieser Sektion der Mine. Zusammen mit Dieter setzte er ein paar leere Eimer ineinander und legte Pickel, kleine Schaufeln und anderes Werkzeug obenauf. Dieter wollte gerade sagen, dass Uwe wohl nicht mehr auftauchen würde, als die Leiter neben ihnen zu zittern begann. Fast bedauerte Dieter, dass sie jetzt doch zu dritt waren. Uwe würde ihnen beim Graben nur hinderlich sein, und außerdem würde er seinen Anteil nun mit ihm teilen müssen.
Kurt zeigte ihnen, was sie zu tun hatten, dann drehte er ihnen den Rücken zu und machte sich an die Arbeit. Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte und Uwe und Dieter sich gegenseitig nicht mehr übereifrig und hektisch im Weg standen, begannen sie Kurt zu beobachten und seine Handgriffe nachzuahmen. Sie arbeiteten im schwachen Schein der Laternen, schweigend und aufmerksam, harkten mit den Pickeln vorsichtig in die Lehmwände, schlugen noch vorsichtiger in die freigelegten trockenen Erdbahnen und bildeten sich immer wieder ein, etwas aufblitzen zu sehen. Es war aber jedes Mal nur das Licht, das von scharfen Steinkanten reflektiert wurde. Oder sandige, mineralhaltige Körner, die zwischen ihren Fingern zerbröselten. Langsam begannen ihnen die Arme schwer zu werden, die Haut an den Händen juckte unter der trocknenden Lehmschicht und ihre Knie schmerzten, sobald sie sich auf den Boden knieten, um die unteren Teile der Wand zu bearbeiten.
Nur weil sie langsam Hunger bekamen merkten sie, dass es um die Mittagszeit herum sein musste. Und so führte Kurt sie zurück zum Bauch der Mine. Die Seitenpfade, die von ihm abführten, seien wie Gedärme, meinte Dieter. Lange, dunkle Schläuche, voller dunkler, klebriger Erdmassen, gewunden und mit stetig wechselndem Durchmesser. Der Nebenschacht, in dem sie den ganzen Vormittag verbracht hatten, war wie der Hauptschacht nur unmittelbar am Eingang mannshoch, danach wurde er niedriger und enger, bis er schließlich ganz aufhörte. Kurt hatte ihn erst letzte Woche angelegt, berichtete er, während sie auf ihren umgestülpten Eimern saßen und die mitgebrachten Käsebrote aßen.
Keiner von ihnen fragte, ob sie dazu nicht lieber nach oben gehen sollten, ins Licht und in die Wärme. In der Mine herrschte eine ungesunde Kälte, die sie bisher aber nicht bemerkt hatten. Erst als sie fast fertig gegessen hatten, fröstelte Uwe und er wünschte sich insgeheim, wieder die Leiter hinaufsteigen zu können.
„Weiter geht’s, ihr Faulpelze“, sagte Kurt, während er sich den letzten Bissen Brot in den Mund stopfte und ihn mit einem langen Schluck Tee aus der Thermoskanne hinunterspülte.
„Halbzeit“, raunte Dieter Uwe zu. Anscheinend hatte auch er keinen Spaß mehr an der Sache.
Diesmal gingen sie noch tiefer in den Schacht hinein. Kurt kroch sogar bis ganz an sein Ende und Uwe und Dieter mussten sich krumm machen, um die ihnen zugeteilte Sektion aufklopfen und ankratzen zu können. Dieter stellte seine Lampe so nah an die Wand, dass sich ihr Lichtkegel kurz vor dem helleren Absatz, den er kurz zuvor auf halber Höhe der Wand freigelegt hatte, bereits wieder verlor. Dennoch bemerkte er, dass sich die Struktur der dortigen Schicht geändert zu haben schien. Feine Linien zogen durch wechselnde Farbflächen. Er hob die Lampe höher und untersuchte die Oberfläche. Zwischen zwei dünnen helleren Linien verlief eine schwach glitzernde Bahn. „He, seht mal!“, rief er, „da ist etwas.“
Kurt war sofort neben ihm, beleuchtete die Stelle mit seiner stärkeren Grubenlampe und pfiff durch die Zähne.
„Was ist?“, fragte Dieter. „Kann das etwas sein?“
Kurt antwortete nicht und begann vorsichtig mit dem kleinsten ihrer Pickel um die Schicht herumzuklopfen. Uwe tauchte auf, und die Stelle, an der Kurt arbeitete, wurde nun auch noch von der dritten Lampe erhellt. Eine schmale Linie blitzte auf. Sie glitzerte nicht nur, sie glänzte! Ja, sie funkelte geradezu. Plötzlich war all ihre Müdigkeit verflogen.
Uwe und Dieter wollten helfen, aber Kurt erlaubte ihnen nur, mit ihren Lampen neben ihm stehen zu bleiben und den langsamen, fast zärtlichen Prozess der Freilegung zu beobachten.
Nach einer Stunde hatte er die schmale Spur von der minderwertigen Erde getrennt. Er hatte die wertvollen Brocken in die bereitstehenden Eimer gelegt,
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