Die Auswanderinnen (German Edition)
Isabella sah Eva verdutzt an. „Aber wir hatten doch ausgemacht, uns nachmittags hier zu treffen? Oder war sie so betrunken, dass sie es vergessen hat?“
„Vielleicht ist sie auf einem anderen Weg zum Motel gefahren, um uns abzuholen? Oder sie ist einkaufen gefahren“, überlegte Eva laut. „Was machen wir jetzt?“
„Wir gehen zum Motel zurück“, schlug Isabella vor. „Und wenn wir sie dort auch nicht antreffen, hinterlassen wir ihr eine Nachricht, dass wir im Pub sind.“
„Bist du nicht mehr bei Trost? Es ist drei Uhr nachmittags!“
„Na und? Ein einziges, winziges, kühles Bierchen wird uns guttun. Und ich wette, Jo Ann wird ebenfalls über kurz oder lang dort auftauchen.“
Eva verdrehte die Augen. Sie würde zwar mitgehen, aber keinesfalls auch nur einen einzigen Tropfen Alkohol trinken. „Wie kommst du darauf?“
„John!“, erklärte ihre Freundin. „Zwischen den beiden liegt etwas in der Luft. Aus denen wird noch ein Paar. Jo Ann ist sich dessen nur noch nicht bewusst. Da werden wir wohl ein bisschen nachhelfen müssen.“
„Wenn du meinst.“ Eva ging nun neben ihr her und versuchte wieder mit ihrer energisch dahineilenden Freundin Schritt zu halten. Isabella war wie ein Tier, das Witterung aufgenommen hatte. Sie fragten an der Rezeption ihres Hotels nach Jo Ann, aber keiner hatte sie gesehen. Also marschierten sie weiter zum Pub, wo sie Jo Anns Auto schon von weitem direkt vor dem Eingang parken sahen.
„Siehst du“, triumphierte Isabella. „Ich hatte Recht! Sie sitzt gemütlich bei John und vertreibt ihren Kater mit einem kleinen Drink.“
Tatsächlich, dachte Eva. Jo Ann sitzt in der Kneipe, also können ihre Sorgen wohl nicht ganz so groß sein. Aber sie hatte sich getäuscht, denn drinnen im Pub war das Drama in vollem Gang.
Kapitel 33
Die Tür war nicht verschlossen, und so traten Eva und Isabella ein und warteten, bis sich ihre Augen nach der grellen Nachmittagssonne an das Halbdunkel des Raumes gewöhnt hatten. Schließlich entdeckten sie weit hinten im Lokal ein einsames Paar an einem Tisch direkt neben dem Tresen. Ansonsten war der Raum menschenleer, obwohl das Pub um diese Uhrzeit bereits geöffnet war. Doch normalerweise verirrte sich zu dieser Tageszeit noch kaum ein Gast ins Pub und John nutzte die Stunde, um sauber zu machen und alles für den Abend vorzubereiten.
Heute musste er sich jedoch um Jo Ann kümmern. Er saß neben ihr und hatte seinen Arm um sie gelegt, während sie mit hängenden Schultern und nach vorne gebeugtem Körper schluchzend am Tisch saß und in dieser Position jeden Moment in sich zusammenzusacken drohte. Johns Umarmung würde in diesem Fall nicht allzu viel nutzen, sie war mehr dazu angetan, Jo Ann zu beruhigen als sie zu stützen.
Eva und Isabella gingen auf die beiden zu und fragten besorgt, was denn so Schreckliches passiert sei. Jo Ann antwortete mit einem wütenden Aufheulen, das in ein Stöhnen überging, schlug mit der Faust auf die hölzerne Tischplatte und verbarg dann ihren Kopf in den verschränkten Armen und weinte haltlos weiter.
Die Freundinnen waren zutiefst erschrocken. Was auch immer geschehen war – es musste furchtbar sein, sonst hätte Jo Ann niemals so heftig reagiert.
John streichelte ununterbrochen sanft über ihren Rücken. „Es ist wegen Ben“, erklärte er. „Jo Ann musste Ben einschläfern lassen. Erst heute Mittag, und jetzt ist sie hier, um mir Tiger in Pflege zu geben.“
Isabella hätte beinahe schallend aufgelacht. Das konnte ja wohl nicht wahr sein, der ganze Zirkus nur wegen eines Hundes – und sie hatte schon das Schlimmste befürchtet.
„Wie schrecklich“, sagte Eva und legte ihre Hand tröstend auf Jo Anns Schulter. „Das tut mir leid. Warum musste er denn eingeschläfert werden? War er krank oder hatte er einen Unfall? Oder ...“ Sie zögerte, weil ihr der zweite Hund einfiel. Hatte dieser vielleicht den anderen angegriffen?
„Ben war heute Morgen ganz apathisch, als ihn Jo Ann aus der Werkstatt holen wollte“, erklärte John weiter. „Der Tierarzt meinte, es sei das hohe Alter, er könne nichts mehr für ihn tun. Es wäre nur noch Tierquälerei gewesen.“
„Tja!“, meinte Isabella, der keine echten Worte des Trostes einfielen. Sie hatte nie ein Haustier gehabt. „Du hast ja schließlich noch den anderen.“
Jo Ann hob den Kopf und starrte Isabella an. Sie runzelte die Stirn und wollte etwas antworten, aber ihre Worte wurden von neuen Tränen erstickt.
Die Frauen
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