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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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rutschten auf die gegenüber liegende Bank.
    „Hat sie nicht“, entgegnete John. „Das ist es ja. Sie hat mir eben Tiger gebracht. Sie will ihn hier lassen, wenn sie nach Sydney fährt.“
    „Warum will sie denn nach Sydney?“, fragte Isabella ihn, als ob Jo Ann nicht mit am Tisch sitzen würde.
    John zuckte mit den Schultern, diese Frage konnte er nicht beantworten.
    „Jo Ann, warum willst du nach Sydney“, fragte Isabella eindringlich. „Ist etwas geschehen, das wir wissen müssten? Bitte, sag es uns. Was ist denn los?“ Sie warf einen schnellen Seitenblick auf John, der sie interessiert, und, wie sie fand, äußerst kritisch musterte.
    „Sie hat mir alles erzählt“, sagte er ernst. Jo Ann wirkte so abwesend, dass auch er automatisch von ihr in der dritten Person sprach.
    „Ich weiß Bescheid über euer Geheimnis von damals.“ Als John den Schrecken in ihren Gesichtern sah, beschwichtigte er: „Keine Angst, von mir erfährt niemand ein Sterbenswörtchen. Abgesehen davon habe ich trotzdem keine Ahnung, warum Jo Ann nach Sydney will. Beim besten Willen nicht. Sie hat mir den Grund dafür noch nicht genannt.“
    Evas Magennerven rebellierten und sie fühlte sich wieder so elend wie am Morgen, als sie aufgewacht war. „Hat sie dir wirklich alles von damals erzählt, John? Alles?“, wollte sie entsetzt wissen.
    „Ich nehme an, dass es alles war. Zumindest weiß ich um eure Angst, dass man das kleine Lügengebilde, das ihr zu eurer Verteidigung erfunden habt, aufdecken könnte. Und dass das gefundene Skelett höchstwahrscheinlich der sterbliche Überrest von Jo Anns früherem Mann ist. Und ich weiß auch, wie er umgekommen ist!“
    Isabella streckte ihre Hände über den Tisch und krallte sich in Jo Anns Schultern fest. „Wie konntest du nur? Bist du von Sinnen? Was hat dich dazu getrieben, du dummes Ding?“
    Jo Ann stutzte und hob den Kopf. Warum reagierte Isabella plötzlich so aggressiv? Bisher hatte sie sich doch immer so unschuldig gegeben. „Ihr könnt John vertrauen“, sagte sie gedankenverloren.
    In Isabellas Stimme lag purer Zynismus. „Ach, wirklich?“
    „Lass es gut sein“, mahnte Eva leise. „Wir können uns bestimmt auf John verlassen.“
    „Den Teufel werden wir tun!“, keifte Isabella. Sie hatte Jo Ann wieder losgelassen „Seid ihr denn alle übergeschnappt? Vertrauen? Einem Kneipenwirt? Bei der nächsten Lokalrunde wird unser kleines Geheimnis ausgeplaudert. Das ist eine Bombengeschichte, die man nicht für sich behalten kann. Ihr seid naiv, wenn ihr einem Wirt ein Geheimnis anvertraut. Naiv und blöd! Aber das warst du schon immer, Jo Ann. So naiv, dass es wehtut. Einem Gastwirt, in einer Kneipe – du musst total übergeschnappt sein!“
    John schien nicht weiter gekränkt, aber Jo Ann erwachte mit einem Schlag wieder zum Leben, setzte sich ruckartig auf und schrie zurück: „Halt die Klappe, Isabella! Du bist naiv! Du bist diejenige, die nichts versteht. Ja genau, du kapierst nicht, worum es wirklich geht, willst aber mitreden! Immer alles besser wissen und den anderen sagen, wo es langgeht. Das war schon immer deine Masche. Nur diesmal kommst du mit deiner Überheblichkeit nicht weiter. Du hast überhaupt keine Ahnung. Nichts weißt du! Aber mir willst du vorschreiben, wann ich den Mund aufmachen darf und wann nicht. Ich sage dir, du hältst jetzt endlich einmal in deinem Leben deine große Klappe und hörst den anderen zu!“
    Isabella war von Jo Anns Ausbruch nicht beeindruckt, im Gegenteil, sie sprang auf und schrie genauso laut zurück. „Was soll ich mir denn anhören? Dass wir jetzt munter alle unsere Freunde einweihen können? Hast du total den Verstand verloren? Da können wir doch gleich eine Zeitungsannonce aufgeben, hier und in Sydney. Johanna Strobel hat gelogen lautet die Schlagzeile! Sie hat ihren Mann nicht zur Jagd gefahren! Der war schon längst tot, während sie mit ihren Freundinnen noch beim Frühstück saß. Erinnerst du dich? Du warst doch diejenige, die Eva gebeten hat, dein Lügenmärchen abzusichern – und jetzt plauderst du alles aus! Da will ich nicht mit reingezogen werden. Was auch immer du vertuschen willst, es geht mich nichts an! Ich habe überhaupt keine Lust auf den ganzen Scheiß, den du da aufwühlen willst!“
    Was genau wusste Isabella eigentlich noch von den damaligen schlimmen Ereignissen? Konnte sie sich wirklich nicht mehr daran erinnern, wie Kurt gestorben war, wunderte sich Jo Ann im Stillen und antwortete deutlich leiser:

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