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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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übernommen worden. Jeden Nachmittag setzte ich mich auf eine Bank in dem kleinen Parkstück zwischen dem Haupt- und dem Nebengebäude. Mit einem Buch betrieb ich ganz bewußt die Ablenkung von mir und meiner Umgebung, Verlaine, Trakl, Baudelaire habe ich dort gelesen. Eine Ruheperiode schien angebrochen. Da entdeckte ich eines Tages unter der Rubrik
Todesfälle
der Zeitung, die ich mir auf diese Bank mitgenommen hatte, die Notiz:
Herta Pavian, 46 Jahre
. Das war meine Mutter. Sie hieß
Herta Fabjan
, es bestand kein Zweifel, das
Pavian
beruhte auf einem Hörfehler der Zeitung, die sich tagtäglich für eine versteckte, aber gierig gelesene Rubrik telefonisch die Toten des Tages durchgeben ließ.
Herta Pavian!
Ich lief in mein Zimmer und sagte dem halbtot in seinem Bett liegenden Doktor, daß meine Mutter gestorben sei und daß ihr Tod unter dem Namen
Herta Pavian
, anstatt unter dem richtigen
Herta Fabjan
verzeichnet sei.
Herta Pavian, 46 Jahre
, sagte ich immer wieder vor mich hin,
Herta Pavian, 46 Jahre
. Ich bat um die Erlaubnis, zum Begräbnis nach Salzburg fahren zu dürfen, und erhielt diese Erlaubnis. Der Wunsch meiner Mutter, in jenem Dorf am Wallersee begraben zu werden, in welchem sie bei ihren Tanten ihre Kindheit verbringen durfte, wurde erfüllt. Ich kam in die leere Wohnung, die ich mir schon vor ihrem Tod vorgestellt hatte. In der Aufregung hatten die Meinigen vergessen, mir den Tod meiner Mutter mitzuteilen, jetzt sei ich da, also keine Vorwürfe. Im Vorzimmer hingen noch immer die Kleider meiner Mutter, in allen Zimmern hatten sich Wäscheberge aufgetürmt. Sie sei, sagte ihr Mann,
unter seinen Augen gestorben, bei vollem Bewußtsein
. Er habe ihr in der Frühe Tee eingeflößt, sie hätten miteinander gesprochen. Plötzlich sei sie von der Stirne herunter weiß geworden.
Sie ist ausgeronnen
, sagte ihr Mann, mein Vormund. Der letzte heiße Schluck hatte die Aorta zum Platzen gebracht. Jetzt übernachtete ich im Sterbezimmer meiner Mutter. Sie sei in ein weißes Leintuch eingewickelt, in einen einfachen Weichholzsarg gelegt worden, wie mein Großvater. Das Begräbnis in Henndorf, auf dem kleinen Dorffriedhof, versammelte Hunderte Menschen. Meine Mutter war zeitlebens religiös gewesen, sie betrachtete die Kirche mit Reserve, gleichzeitig mit Respekt. Sie wollte ein katholisches Begräbnis. Als wir nach Henndorf kamen, war der Sarg noch in der kleinen, weißgekalkten Totenkammer. Bauernburschen, Verwandte, wie es hieß, trugen ihn in die Kirche. Nach der Totenmesse bildeten diese Hunderte von Menschen, zum Großteil Verwandte, wie mir gesagt wurde, die mir aber völlig unbekannt waren, einen langen Trauerzug. Während ich mit meiner Großmutter und dem Vormund hinter dem Sarg ging, wurde ich plötzlich von einem Lachkrampf befallen, mit welchem ich während der ganzen Zeremonie zu kämpfen hatte. Immer wieder hörte ich das Wort
Pavian
von allen Seiten, und ich war schließlich gezwungen, noch vor Ende der Zeremonie den Friedhof zu verlassen.
Pavian! Pavian! Pavian!
schrie es mir in die Ohren, und ich verließ fluchtartig und ohne die Meinigen den Ort und fuhr nach Salzburg zurück. Ich verkroch mich in einem Winkel der Wohnung und wartete zutiefst erschrocken die Rückkunft der Meinigen ab. Am nächsten Tag fuhr ich zurück nach Grafenhof, wo ich ein paar Tage im Bett liegenblieb, die Decke über meinen Kopf gezogen, wollte ich nichts sehen und nichts hören. Erst der unaufschiebbare Termin für die nächste Füllung meines Pneumoperitoneums brachte mich wieder zur Raison. Jetzt habe ich alles verloren, dachte ich, jetzt ist mein Leben vollkommen sinnlos geworden. Ich fügte mich in den Tagesablauf, ich ließ alles, gleich was und wie es auf mich zukam, geschehen, ich verweigerte nichts mehr, ich ordnete mich völlig unter. Ich ließ alles nurmehr noch so weit an mich herankommen, daß es mir nicht deutlich werden konnte, nur undeutlich, nur verschwommen ertrug ich es. Mehrere Wochen verbrachte ich in diesem Zustand. Eines Tages erwachte ich, und ich sah, daß man den Doktor aus dem Zimmer hinaustrug, der in der Nacht gestorben war, ohne daß ich es bemerkt hatte. Ein neuer Patient belegte schon kurze Zeit darauf sein Bett. Ich hatte den Neuen kaum kennengelernt, da wurde ich plötzlich verlegt, in den zweiten Stock hinauf, in eines der Südzimmer, die immer mit drei Patienten belegt waren. Warum versetzt, weiß ich nicht. Von dort oben hatte ich einen weiten Blick in das Hochtal, von dem schwarzen

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