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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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verbrachten sie die Sonntagnachmittage, im ersten kochten sie in einer kleinen Küche, in welcher ein großer Emailleherd stand, und übten in einem Zimmer nebenan ihre Klavierkunst. Alle vier Schwestern spielten Klavier, das war selbstverständlich, über dem Klavier hingen zwei große gerahmte Fotografien der Frau und des Herrn Poschinger an der Wand. Hier habe ich zum erstenmal Klavierspiel gehört, und genau das Klavierspiel war es, das mir Mut gemacht hatte, das erstemal an die Poschingertür zu klopfen mit dem Wunsch, unmittelbar bei dem Instrument selbst mit eigenen Augen und Ohren an der Musik teilnehmen zu dürfen. Die Bitte wurde gewährt. Fortan saß ich sehr oft neben dem Klavier und hörte zu, wenn eine der Poschingerschwestern spielte. Nur drei Poschingerschwestern waren im Hause, die vierte hatte es bereits zur Studienrätin gebracht und unterrichtete in Burghausen, wie es hieß. Sie war der Stolz der Familie. Schon wenige Monate nach unserem Einzug war dieser Stolz der Familie gestorben. Ein Furunkel unter dem Arm hatte das Leben der Studienrätin Maria jäh beendet. Von da an gingen alle Poschinger jahrelang nur noch in schwarzen Kleidern herum, was im Grunde gar nicht so schlecht paßte, wenn man sich daran erinnerte, daß sie ebenerdig ja ein von meinem Großvater so genanntes
Totengeschäft
betrieben. Auf dem Klavier waren nurmehr noch traurige Stücke gespielt worden und hatten mich in die tiefste Melancholie gestürzt.
Das ist Brahms
, hörte ich,
das ist Beethoven, das ist Mozart
. Ich unterschied sie nicht. Ich kam in die dritte Volksschulklasse, in die Volksschule hatte ich eine Viertelstunde mitten durch die Stadt zu gehen, schräg gegenüber steht noch heute das Gefängnis, ein abschreckendes Gebäude, von einer drei Meter hohen Mauer umgeben und mit schwer vergitterten Fenstern, die im Grunde nur quadratische Löcher sind. So hatte der tägliche Schulbesuch sein Dämonisches. Hier hatte ich nicht nur einen, sondern verschiedene Lehrer, für jeden Gegenstand einen anderen. Als
E
sterreicher hatte ich es schwer, mich zu behaupten. Ich war dem Spott meiner Mitschüler vollkommen ausgeliefert. Die Bürgersöhne in ihren teuren Kleidern straften mich, ohne daß ich wußte, wofür, mit Verachtung. Die Lehrer halfen mir nicht, im Gegenteil, sie nahmen mich gleich zum Anlaß für ihre Wutausbrüche. Ich war so hilflos, wie ich niemals vorher gewesen war. Zitternd ging ich in die Schule hinein, weinend trat ich wieder heraus. Ich ging, wenn ich in die Schule ging, zum Schafott, und meine endgültige Enthauptung wurde nur immer hinausgezogen, was ein qualvoller Zustand war. Ich fand keinen einzigen unter den Mitschülern, mit welchem ich mich hätte anfreunden können, ich biederte mich an, sie stießen mich ab. Ich war in einem entsetzlichen Zustand. Zuhause war ich unfähig, meine Aufgaben zu machen, bis in mein Gehirn hinein war alles in mir gelähmt. Daß mich meine Mutter einsperrte, nützte nichts. Ich saß da und konnte nichts tun. So fing ich an, sie zu belügen, ich hätte die Aufgabe fertig. Ich enteilte in die Stadt und ging heulend und angsterfüllt durch die Straßen und Gassen und suchte Zuflucht in den Parks und auf den Bahndämmen. Wenn ich nur sterben könnte! war mein ununterbrochener Gedanke. Wenn ich an Seekirchen zurückdachte, schüttelte es mich vor Weinen. Ich heulte laut aus mir heraus, wenn ich sicher war, daß mich niemand hörte. Ich ging auf den Dachboden und schaute auf den Taubenmarkt hinunter, senkrecht. Zum erstenmal hatte ich den Gedanken, mich umzubringen. Immer wieder steckte ich den Kopf durch die Dachbodenluke, aber ich zog ihn immer wieder ein, ich war ein Feigling. Die Vorstellung, ein Klumpen Fleisch auf der Straße zu sein, vor welchem jeden ekelte, war absolut gegen meine Absicht. Ich mußte weiterleben, obwohl es mir unmöglich erschien. Vielleicht ist der Wäschestrick die Rettung? dachte ich. Ich klügelte eine Konstruktion mit dem am Dachbalken festgebundenen Strick aus, ich ließ mich geschickt in die Schlinge fallen. Der Strick riß ab, und ich stürzte die Dachbodenstiege hinunter in den dritten Stock. Vor ein Auto oder den Kopf auf das Bahngeleise. Ich hatte überhaupt keinen Ausweg. Ich schwänzte zum erstenmal die Schule, meine Angst, ohne Hausaufgabe mich meinen Lehrern auszuliefern, war aufeinmal zu groß. Ich wollte nicht vor den Lehrer treten, der mich an den Ohren zieht, und wenn ihm das keinen Spaß mehr macht, mir an die zehnmal auf die

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