Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
Vom Netzwerk:
bedingungslos gehorcht habe. Er war, indem er mich nach Salzburg geschickt und dem Internat ausgeliefert und mich zuerst auf die Hauptschule und dann auf das Gymnasium geschickt hatte, nicht konsequent gewesen, und diese Inkonsequenz ist die einzige, die er für mich in seinem ganzen Leben gezeigt hat, und sie ist zweifellos die gewesen, die mich als seinen Enkel am meisten erschüttern mußte, weil sie auf mich tatsächlich eine verheerende Wirkung gehabt hat und weil sie vollkommen gegen alles Denken in meinem Großvater und gegen alle Gefühle in mir gewesen war und nur Nachgeben einer lebenslänglichen Wunschvorstellung seinerseits. Aber diese Inkonsequenz als Irrtum ist ihm noch zu Lebzeiten deutlich und auf die schmerzhafteste Weise klar geworden. Die in Seekirchen am Wallersee und in Traunstein besuchten Volksschulen hatten mich nicht gefährden können, denn ich hatte mich, immer in der Nähe meines Großvaters und also immer unter seinem mich aufklärenden Einfluß, diesen Volksschulen als sogenannten Elementarschulen überhaupt nicht ausgeliefert, sie in Distanz alle mit Leichtigkeit und ohne den geringsten Schaden zu nehmen durchgehen können, aber der plötzliche Bruch im Denken meines Großvaters, daß auf einmal doch eine sogenannte höhere Schule für mich notwendig sei, hatte in mir dann doch viel und zu Zeiten beinahe alles zerstört gehabt. Das war der Widerspruch in ihm gewesen. Die Professoren waren selbst, wie ich fühlte, arme und geschlagene Geister, wie hätten sie mir etwas zu sagen gehabt? Die Professoren waren selbst die Unsicherheit und die Inkonsequenz und die Erbärmlichkeit, wie hätte, was sie vorgetragen haben, für mich auch nur geringfügig von Nutzen sein können? Mein Großvater hatte mich über ein Jahrzehnt die Physiognomik gelehrt, jetzt konnte ich diese meine Wissenschaft anwenden, und das Ergebnis war fürchterlich. Diese Leute, selbst einerseits aus Angst vor ihrem Direktor (Schnitzer), aus Angst andererseits vor ihren Familienverhältnissen, zu welchen sie lebenslänglich verurteilt waren, hatten mir nichts zu sagen, und die Beziehung zwischen ihnen und mir erschöpfte sich im Grunde beinahe vollkommen in gegenseitiger Verachtung und fortgesetzter Bestrafung durch sie, bald war ich an diese fortgesetzte Bestrafung, ob ungerecht oder nicht, stand nicht zur Debatte, gewöhnt gewesen und bald war mein Gemüt ein erniedrigtes und beleidigtes Gemüt als Dauerzustand gewesen. Ich verachtete diese Professoren, und ich haßte sie nurmehr noch mit der Zeit, denn ihre Tätigkeit hatte für mich nur darin bestanden, daß sie jeden Tag und auf die unverschämteste Weise den ganzen übelstinkenden Geschichtsunrat als sogenanntes Höheres Wissen wie einen riesigen unerschöpflichen Kübel über meinem Kopf ausschütteten, ohne sich auch nur den Rest eines Gedankens zu machen über die tatsächliche Wirkung dieses Vorgangs. Völlig mechanisch und in dem ja berühmten professoralen Gehabe und in dem berühmten professoralen Stumpfsinn
zerstörten
sie mit ihrer Lehre, die nichts anderes gewesen war als die ihnen von der staatlichen Obrigkeit vorgeschriebene Zersetzung und Zerstörung und, in böswilliger Konsequenz, Vernichtung, die ihnen anvertrauten jungen Menschen als Schüler. Diese Professoren waren nichts anderes als Kranke, deren Höhepunkt als Krankheitszustand immer der Unterricht gewesen ist, und nur Stumpfsinnige oder Kranke wie Stumpfsinnige
und
Kranke sind Gymnasialprofessoren, denn was sie tagtäglich lehren und auf die Köpfe ihrer Opfer schütten, ist nichts als Stumpfsinn und Krankheit und in Wahrheit ein jahrhundertealter faul gewordener
Unterrichtsstoff als Geisteskrankheit
, in welchem das Denken jedes einzelnen Schülers ersticken muß. In den Schulen und vor allem in den höheren Schulen als Mittelschulen wird die Natur des Schülers durch faules nutzloses Wissen, das in diese Schüler ununterbrochen hineingestopft wird, zur
Unnatur
, und wir haben es, wenn wir es mit Schülern von sogenannten höheren Schulen und also Mittelschulen zu tun haben, nurmehr noch mit unnatürlichen Menschen zu tun, deren Natur in diesen sogenannten höheren Schulen als Mittelschulen vernichtet worden ist, die sogenannten Mittelschulen und vor allem die sogenannten Gymnasien dienen eigentlich immer nur der Verrottung der menschlichen Natur, und es ist Zeit, darüber nachzudenken, wie diese Verrottungszentren abgeschafft werden können, wo sie doch abgeschafft werden müßten, weil sie

Weitere Kostenlose Bücher