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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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wie er hinter seiner Polstertür seinen Prozeß eröffnete. Seine Lage war die aussichtsloseste, die man sich vorstellen kann, aber er kämpfte, er kämpfte auch noch nach vier Jahrzehnten einer totalen Erfolglosigkeit, in welcher jeder andere längst aufgegeben hätte. Er hatte nicht aufgegeben. Mit dem Zunehmen und mit dem Immer-unerträglicher-Werden seiner Erfolglosigkeit verschärfte sich seine Besessenheit seinem Gegenstand gegenüber, der sein Werk war. Er war kein mitteilsamer Mensch, und er haßte die Gesellschaft. Er hatte sich mit seiner Arbeit, mit seinem Lebenswerk als Schriftstellerei eingekerkert, sich aber die Freiheit genommen, allein zu sein und alles andere zu unterwerfen. Darunter hatte zeitlebens seine Umgebung zu leiden, vornehmlich seine Frau, meine Großmutter, wie auch meine Mutter, die ihm diesen Zustand der totalen schöpferischen Isolation durch ihre tatkräftige Hilfe ermöglichten. Sie hatten, was sie ihm gegeben hatten, von ihrem eigenen Leben bezahlt, und der Preis ist der höchste gewesen. Um drei Uhr früh, mit den Bäckern und Eisenbahnern, stand er auf und setzte sich an den Schreibtisch. Ich horchte und hörte und drehte mich noch einmal auf die Seite, meinen Großvater, nur durch die Polstertür getrennt von mir, schon auf und an der Arbeit zu wissen, also in nächster Nähe
und daß er noch lebte
, hatte mich an jedem Tage in aller Frühe glücklich gemacht. Sein Sohn, mein Onkel, trat gegen fünf aus dem Zimmer, in welchem auch meine Großmutter, meine Mutter und meine Geschwister, durch einen großen Pappendeckelparavent getrennt, schlafen mußten, und weckte mich wieder auf. Und so jahrelang. Und ging in den Keller hinunter, in seine Versuchsstation, zu seinen Erfindungen, für die er immer wieder Patente anmelden wollte und auch anmeldete und die ihm eine Zukunft in Sorglosigkeit und Reichtum sichern sollten, was natürlich utopisch und ein echter Wahnsinn gewesen war. Gegen sechs stand ich auf und machte mich fertig und frühstückte mit meiner Mutter und mit meinem Vormund zusammen in der Küche. Manchmal war unser Frühstück von einer Explosion im Keller jäh unterbrochen worden, wenn sich eines der Experimente meines Onkels Luft gemacht hatte und der Küchenboden erzitterte. Normalerweise aber waren alle im Hinblick auf meinen schon stundenlang arbeitenden Großvater so ruhig wie möglich, und sie hätten sich auch niemals getraut, lauter zu sprechen, und sich nicht einmal die kleinsten irritierenden Geräusche erlaubt, wir waren alle wie auf Zehenspitzen gegangen, um den Fortgang der Arbeit am
Tal der sieben Höfe
nicht aufzuhalten. Die Gutmütigkeit meines Großvaters hatte ihre Grenzen und, seine Arbeit betreffend, pardonierte er nichts, und wir alle haben den absoluten Tyrannen in ihm oft zu spüren bekommen. Er konnte, vor allem gegen die Frauen, gegen seine Frau, meine Großmutter, und gegen meine Mutter, seine Tochter, von einer geradezu vernichtenden Härte und Schärfe sein. Aber sie alle achteten ihn wie keinen anderen Menschen und ermöglichten ihm, zu tun, was er wollte, und liebten ihn. Sie glaubten an ihn und entrückten ihn. Er war ein Landmensch, von einem geradezu selbstmörderischen Mißtrauen gegen alles Städtische, und er haßte die Zivilisation in allen seinen Gefühlen und Gedanken und in allem, das er jemals geschrieben hat. Er war, aus seiner ländlichen Herkunft, einen großen Schritt in die Welt hineingegangen, aber er war bald wieder von dieser ihm unbehaglichen, ihn abstoßenden Welt zurückgekehrt in seinen eigensinnigen Kopf. Er konnte nicht glauben, daß alles das gleiche sei. Gegen sieben ging mein Vormund aus dem Haus. Er war knapp über dreißig Jahre alt und der Ernährer aller. Für mich, mit sechzehn und siebzehn, war er naturgemäß ein schon lange Erwachsener, beinahe schon ein alter Mann. Das war sein Unglück. Daß von ihm beinahe Un- und Übermenschliches gefordert worden ist in dieser Zeit, daß er mit seinem Handwerk allein die ganze Familie und ihren zahlreichen Anhang zu erhalten hatte, das hatte ich nicht verstanden. Gegen halb acht ging ich selbst in die Scherzhauserfeldsiedlung und in den Keller. Die Umstände zuhause waren alles in allem unleidlich, weil überhaupt nicht zu verbessernde, es hatten in uns nur die Not und das Elend geherrscht, so daß ich es jeden Tag als ein besonderes Glück empfunden habe, mich durch die Äcker und Felder und Wiesen in die Scherzhauserfeldsiedlung zu entziehen. In Podlaha, von dessen

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