Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
lustlos an seinem Leberwurstbrötchen.
„Dir schmeckt’s wohl auch nicht sonderlich.“
„ Lenk nicht ab, spuck’s aus.“
Anke warf ihre roten Locken zurück, neigte ihren angehobenen Kopf etwas zur Seite und presste die Lippen zu einem angedeuteten Grinsen. Wolf hörte augenblicklich auf zu kauen und sah sie erwartungsvoll an.
„Ich denke, nein, ich glaube, ich habe Simeon Vronhoff in Berlin in seinem Haus gegenübergestanden.“
Wolf stellte seine Kaffeetasse wieder ab, die er gerade an die Lippen geführt hatte.
„Du hast was?“
„ In den Kladden stand zwar, er trägt eine Glatze, dieser Mann jedoch hatte Kinn lange, pechschwarze Haare. Trotzdem. Weißt du, er hat mich angesehen, als könne er in meine Seele blicken und strahlte dabei eine eigenwillige Faszination aus. An ihm war etwas Diabolisches, Animalisches.“
Sie lachte gepresst. Wolf setzte an, etwas zu sagen. Anke gebot ihm mit einer Handbewegung, zu schweigen. Sie war noch nicht fertig.
„Es passiert mir selten, aber ich war für einen längeren Augenblick total verunsichert und habe mich wie ein kleines Mädchen gefühlt, das beim Bonbonklauen ertappt wurde.“ Anke schluckte, weil ihr die Szene mit Simeon in Berlin wieder vor Augen trat. „Aber natürlich“, grinste sie kläglich, „habe ich mich schnell wieder gefangen.“
Wolf zog hörbar die Luft ein.
„Mut und Dummheit liegen nicht weit auseinander.“
„ Ist ja nichts passiert. Ich lebe noch.“
„ Soll ich jetzt froh darüber sein?“
„ Ich dachte schon“, lächelte sie verzeihend.
„ Woher nimmst du an, dass es tatsächlich Simeon Vronhoff war?“
Anke grinste.
„Okay, dein Bauch.“
„ Und außerdem, der Mann in seiner Gegenwart besaß indische Gesichtszüge.“
„ In Berlin laufen viele Inder herum.“
Anke zuckte die Schultern.
„Gut, ich kann es nicht beweisen. Ich bin mir jedoch sicher.“
„ Wenn das wirklich Simeon Vronhoff war, kennt er dich jetzt.“
„ Jetzt mach dir doch nichts vor. Die wissen eh längst alles über uns.“
„ Wieso hast du mir deine Aktion nicht erzählt?“, tadelte Wolf sie.
„ Eine kleine Unexaktheit erspart manchmal Tonnen von Erklärungen, sagte H.H. Munroe.“
„ Es hätte mich aber interessiert.“ Er verzog den Mund. „Ehrlich, weil, so lerne ich dich immer besser kennen.“
„ Dazu wirst du noch genug Gelegenheit haben, keine Sorge.“
„ Wollen wir damit fortfahren? Ich hoffe, ich muss jetzt nicht unsere gesamten gemeinsamen Jahre hinterfragen.“
Ein skeptisches Lächeln stahl sich auf Wolfs Lippen ein. Anke nahm bedächtig einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse. Mit Wolf lief es seit dem Auftauchen der Kladden nicht mehr wie früher. Obwohl sie ihn in all ihren anderen journalistischen Recherchen zwangsläufig mit einbezogen hatten, waren sie doch noch nie in so einen brisanten und gefährlichen Fall involviert gewesen. Es war ihr bewusst, dass sie auch sein Leben aufs Spiel setzte. Auch ihm war das klar. War sie zu weit gegangen? Aber sie konnte das Rad nicht mehr zurückdrehen. Das Einzige, was sie tun konnte, war, ihn zukünftig raus zuhalten.
„Wir werden uns für eine Weile trennen“, eröffnete sie kategorisch und bemerkte, wie Wolfs Augen sich weiteten, als höre er nicht recht. Anke redete unbeirrt weiter. „So lange, bis diese Sache abgeschlossen ist. Ich möchte dich nicht weiter gefährden.“
Wolf lachte auf.
„Weiter gefährden? Du hast wohl gerade deinen Blick fürs Reale verloren. Ich stecke schon viel zu tief drin. Hast du vergessen, dass Cara meine Patientin war? Und denk nur an Dr. Baur. Du solltest zu Hauff gehen, eine Phantombeschreibung von diesem angeblichen, möglichen Simeon geben und alles weiter ihm überlassen. Sie kriegen uns sonst tatsächlich noch wegen Behinderung der Ermittlungen dran und im Anschluss daran bringen uns die Diabolusbrüder um.“
„ Du hast doch eben noch gesagt, du zweifelst, dass alles auf seine Kappe geht.“
„ Wie war das mit Adenauer? Es kann mich doch keiner daran hindern, alle Tage klüger zu werden“, konterte Wolf.
Anke stand auf.
„Lass uns ins Krankenhaus fahren nach Leon schauen.“
Am frühen Morgen standen sie beide mit dem behandelnden Arzt vor Leon Kortes Krankenzimmer.
„ Er ist bei Bewusstsein“, erklärte der Doktor, „und sein Zustand den Umständen entsprechend stabil.“
„ Können wir kurz nach ihm sehen?“ fragte Anke.
Der Arzt schüttelte den Kopf.
„Die Polizei war auch schon hier. Sie waren
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