Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
den brutalen Dingen des Lebens sah sie sich dahinschweben.
Autolärm holte sie ins ungnädige Leben zurück. Sie mussten in einer Stadt angekommen sein. Der Wagen blieb oft stehen, fuhr eine kurze Strecke, bog mal rechts, mal links ab, blieb wieder stehen. Ampeln, dachte Cara. Mit einem Mal spürte sie die Atmosphäre und war sicher, in Berlin zu sein. Wehmut erfasste sie, die sie ihren eigenen Schmerz und ihre Angst vergessen ließen. Sie dachte an ihre Mutter. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, nach Berlin zurückzukehren. Es war ihr versagt geblieben. Cara wusste nicht einmal, wo im Gelände sie in Indien beerdigt war, wenn überhaupt.
Das Fahrzeug nahm zwei Drittel eines Kreisels. Jetzt noch rechts raus, dann ein Stück geradeaus und wieder links, dachte Cara und sie würden die Straße erreichen, in der das Haus lag. Sie behielt Recht. Kurz, nachdem der Wagen eingebogen war, blieb er unvermittelt stehen.
„Schau mal, ob die Luft rein ist, sonst nehmen wir den Hintereingang“, hörte sie Simeons leise Stimme.
Die Wagentür öffnete sich.
„Hier, das Fernglas, du Trottel.“
Seine Stimme war in ein heiseres Flüstern übergegangen, als ob sie es nicht hören sollte. Ob sie eine Observation des Hauses befürchteten, überlegte Cara. Wusste die Polizei eventuell Bescheid? Gab es doch noch eine Rettung?
„Die Luft ist rein“, holte Swamis Stimme sie aus ihren hoffnungsvollen Gedanken.
Der Wagen fuhr wieder an, verlangsamte nach kurzer Zeit und blieb stehen. Cara lauschte einem summenden Geräusch. Das Garagentor! Vor Jahren war es nur mechanisch zu öffnen gewesen. Das Auto fuhr im Schritttempo einige Meter, blieb erneut stehen. Der Motor wurde ausgeschaltet. Sofort drang wieder das Summen des Garagentores an ihr Ohr. Wahrscheinlich hatte niemand aus der Nachbarschaft auch nur das Geringste mitbekommen. Ihr Herz drohte ihr aus dem Hals zu springen bei dem Gedanken, dass keiner wissen würde, wo sie sich jetzt befand. Wer sollte ihr zur Hilfe kommen? Leon war tot, Dr. Baur war tot. Sie erfühlte eine Bewegung. Simeon musste sich zu ihr umgedreht haben. Sofort schickte ihr Unterbewusstsein Paniksignale. Sie dachte an den Messeraum. Ihr Ungeborenes schien ihre Erregung zu spüren. Es kam ihr vor, als würde es sich in ihrem Bauch umdrehen. Ihre zusammengebundenen Hände zuckten. Trotz Simeons leiser Stimme füllte sie den engen Raum im Wagen voll aus.
„Durch dein Geschenk an ihn wird Satan dir verzeihen und dich gnädig wieder aufnehmen.“
Hohles Gerede, dachte Cara, und im nächsten Moment mit Entsetzen, dass sie doch erst im achten Monat war und er doch wohl nicht schon jetzt..? Sie wagte nicht, ihren Gedanken zu Ende zu verfolgen. Schmerzhaft krampfte sich ihr Unterleib zusammen. Sie hatte das Gefühl, gleichzeitig brechen und auf die Toilette zu müssen. Die Wagentür neben ihr öffnete sich. Wie damals, als sie Kind war, griff ein Arm nach ihr und zog sie aus dem Auto. Starr blieb sie auf dem Fleck stehen, wo Simeon sie hingeschoben hatte. Er schien sich wieder in das Fahrzeug gebeugt zu haben. Cara atmete kaum, vernahm Simeons leise Worte.
„Du weißt Bescheid mit dem Wagen, Swami, für alle Fälle.“
Cara hörte das Tor wieder hochfahren und den Wagen die Garage verlassen. Der erneute Griff nach ihrem Arm ließ sie zusammenzucken. Er führte sie den ihr bekannten Weg bis ins Haus. Am Treppenansatz stockte Caras Herz. Sie wurde nicht, wie sie erwartet hatte, die Treppe hinauf in eines der Zimmer geführt, sondern hinab in den Keller. Unten musste sie einige Minuten warten. Simeons Hand löste sich von ihrem Arm. Sie spürte Bewegungen, vermutete, dass er etwas in den Händen hielt. Alsbald lauschte sie dem leisen Piepen, wohl der Tastenkombination einer Fernbedienung, bis sie das unbarmherzige Geräusch der automatischen Öffnung der Schiebetür erkannte. Nun mussten sie nicht mal mehr, durchzuckte es ihre schweren Gedanken, nach oben an den Computer, um hier unten zu öffnen: Wahrscheinlich hatten sie nach der Polizeirazzia vor einigen Jahren alles verändert. Cara wusste aus ihrer Kindheit in diesem Haus, dass damals über Computer die ferngesteuerten Türen zu öffnen gewesen waren, auch zu diesem hintersten Kellerraum. Die Schreckenskammer, die dazu diente, die Opfer zeremoniell vorzubereiten. In dem Augenblick, als sich die Tür wieder schloss, waren für Cara die hauchdünnen Drähte, an dem das Universum hing, gerissen. Tosend, mit einer apokalyptischen Gewissheit brach es über ihr
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