Die Baeren entdecken das Feuer
brachte.
»Danke für das Kompliment«, antwortete ich und nickte zuerst in seine, dann in Richtung der Frau, obwohl sie nichts gesagt hatte. »Es dürfte Ihnen wohl auch bekannt sein, daß ich während dieser Expedition mein Augenlicht verloren habe, und zwar aufgrund eines Unfalls während der Dekompressionsphase.«
»Ja, das wissen wir«, sagte Dr. DeCandyle. »Wir haben allerdings auch den Artikel in der Sun gelesen und wissen, daß Sie trotz Ihrer Erblindung nach wie vor malen. Und mit Ihren Werken sehr viel Anerkennung gewinnen.«
So war es. Nach dem Unglück stellte ich fest, daß meine Hand nichts von jener Sicherheit verloren hatte, die im Laufe von fast vierzig Jahren Übung und Arbeit erworben worden war. Ich brauchte das Gemalte nicht zu sehen. Die Kritik sprach mir übersinnliche Fähigkeiten zu, doch ich fand das, was ich leistete, nicht ungewöhnlicher als die Tatsache, daß ein Porträtzeichner auch nicht aufs Papier, sondern fast ausschließlich auf sein Gegenüber schaut. Linienführung und Farbgebung waren bei mir immer schon sehr präzise. Daß ich die Formen und das Geschehen auf meiner Leinwand ziemlich genau registrieren kann, hat, wie ich vermute, weniger mit übersinnlicher Wahrnehmung zu tun als mit Feuchtigkeit und Geruch.
Was es auch sei – das Publikum fand großen Gefallen daran. Im vergangenen Jahr hatte ich in etlichen Interviews Auskunft darüber zu geben versucht. Allerdings verschwieg ich, daß mir die Arbeit in letzter Zeit zunehmend schwer fiel. Ein Künstler ist nämlich nicht nur Schöpfer von Schönheit, sondern auch ihr erster Konsument, und ich hatte meinen Mut verloren. Nach fast zwei Jahren Blindheit war mir die Lust daran vergangen, Szenen aus meiner Vergangenheit zu malen, egal, wie sehr andere auch daran Gefallen finden mochten. Meine Kunst hatte mir über die erste schwere Zeit hinweggeholfen. Doch immer tiefer wurde die Dunkelheit, in die ich gefallen war.
»Ja, ich male noch«, war alles, was ich dazu sagen konnte.
»Wir haben etwas Einmaliges vor«, fuhr Dr. DeCandyle fort. »Die Expedition in Bereiche, die noch exotischer und schöner – aber auch gefährlicher – sind als die Tiefen des Meeres. Zu fotografieren ist dort ebensowenig möglich wie im Marianengraben, und deshalb gibt es noch keine Illustrationen. Aus diesem Grund möchten wir Sie in unser Team aufnehmen.«
»Aber warum ausgerechnet mich, einen blinden Künstler?«
Darauf antwortete DeCandyle nicht. Er schlug einen neuen, gebieterischen Ton an. »Folgen Sie mir, und ich zeige Ihnen warum.«
Ich überhörte die unschöne Ironie seiner Worte und gehorchte trotz der Warnungen meines Verstandes.
Dr. Sorel hängte sich mir an die Fersen. Durch eine Tür traten wir in einen langen Korridor, passierten eine zweite Tür und gelangten in einen Raum, der kühler und größer war als der erste. Dem Hall nach schien er leer zu sein, was aber nicht zutraf. Wir gingen bis zur Mitte vor, wo wir stehenblieben.
DeCandyle sagte: »Vor zwanzig Jahren, ehe ich mit meiner Promotionsarbeit anfing, nahm ich in Berkeley an einer einzigartigen Versuchsreihe teil. Der Name Dr. Edwin Noroguchi sagt Ihnen wohl nichts, oder?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dr. Noroguchi beschäftigte sich mit technischen Möglichkeiten zur Wiederbelebung von Toten. Oh, das war nichts Dramatisches und schon gar nicht so finster wie die Geschichte um Frankenstein. Noroguchi machte sich jüngste Erfolge bei der Reanimierung von Ertrunkenen und Infarktopfern zunutze und forschte in dieser Richtung weiter. Wir – ich spreche von ›wir‹, weil ich ihm als Assistent zur Seite stand und seither mein Leben dieser Arbeit widme – wir lernten, für kurze Zeit, eine Stunde etwa, den Tod einzuleiten, und machten uns daran, jene Zonen der Existenz gewissermaßen zu kartographieren, die sich unmittelbar nach dem Tod auftun. Man spricht in diesem Zusammenhang von LAD- oder Life-After-Death-Erfahrungen .«
Tante Kate, die mich nach dem Tod meiner Eltern bei sich aufgenommen hatte, behauptete immer, daß ich etwas langsam sei. Es dauerte auch jetzt ein wenig, bis mir klar wurde, worauf DeCandyle hinauswollte. Hätte ich näher an der Tür gestanden, wäre ich hinausgegangen. Doch mitten im Raum stehend, fehlten mir die Orientierungspunkte. Vorsichtig wich ich zurück.
»An freiwilligen Versuchspersonen haben wir mit Hilfe chemischer und elektronischer Techniken bestätigen können, was wiederbelebte Tote über losgelöste Geister berichteten, die
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