Die Baeren entdecken das Feuer
auf ihre Körper hinabblickten; über jenes Licht, dem sie entgegengetrieben sind; über wohlige Empfindungen tiefen Friedens. All das läßt sich nun auch wissenschaftlich nachweisen. Nur mit der Dokumentation hapert es noch. Darum konnten wir unsere Entdeckungen auch noch nicht in angemessener Form publizieren.«
Ich hatte die Wand erreicht und tastete mich zur Tür vor.
»Zudem stellten sich bald rechtliche und finanzielle Probleme ein. Wir mußten unsere Arbeiten unterbrechen. Bis vor kurzem. Unterstützt von der Universität und der Verlagsleitung der National Geographic, konnten Dr. Sorel und ich die von Dr. Noroguchi und mir begonnenen Forschungen wieder aufnehmen. Und mit Hilfe Ihrer Fähigkeiten als Maler werden wir die Öffentlichkeit über unsere Entdeckungen aufklären können. Das ›unentdeckte Land‹, wie es bei Shakespeare heißt, wird uns dann offenstehen…«
»Sie sprechen von Freitod«, unterbrach ich. »Ich soll mir das Leben nehmen?«
»Bedingt«, entgegnete Dr. Sorel. Es war das erste, was ich von ihr hörte. Ich spürte ihre Hand auf meinem Arm und erschauderte. »Dr. Sorel ist schon viele Male in der LAD-Zone gewesen«, erläuterte DeCandyle, »und wie Sie sehen… Verzeihung, wie Sie merken, ist sie immer wieder zurückgekehrt. Kann Tod genannt werden, was nicht endgültig ist? Und als Gegenleistung…«
»Ach, wissen Sie…«, unterbrach ich ein zweites Mal, um Zeit zu gewinnen; ich suchte noch immer nach der Tür. »Was ich von der Versicherung und an Tantiemen bekomme, reicht mir vollauf.«
»Ich spreche nicht von Geld«, entgegnete Dr. DeCandyle. »Obwohl Sie selbstverständlich auch Geld für Ihre Mitwirkung bekommen. Nein, ich denke vor allem an eine Art von Gegenleistung, die Ihnen, wie ich annehme, sehr viel mehr bedeuten wird.«
Ich hatte die Tür erreicht und wollte mich davonstehlen, als er folgende Worte sagte, die mich dann doch zurückhielten:
»In der LAD-Zone werden Sie wieder sehen können.«
Noch am selben Tag, nachmittags um zwei, hatte ich die medizinischen Untersuchungen hinter mir; darauf schnallte man mich in eine Vorrichtung, die DeCandyle und Sorel als ›den Wagen‹ bezeichneten. Darin sollte ich meine erste Reise in die LAD-Zone antreten.
Von allen Szenen im Himmel, in der Hölle und in den Räumen dazwischen, die ich durchfahren sollte, konnte ich mir den schalldichten Raum und mein Jenseits-Vehikel am allerwenigsten ausmalen. Ich hatte nur DeCandyles Beschreibung des Wagens. Dabei handelte es sich um ein (angemessen) schwarzes, offenes Cockpit aus Fiberglas und zwei Sitze. Ich stellte mir vor, in einer Corvette ohne Räder zu hocken.
Dr. Sorel schnallte mich fest. Derweil erklärte DeCandyle den Aufbau der Maschine, die ein Überwachungssystem enthielt sowie die Elektroschockanlage zur Wiederbelebung. Um das linke Handgelenk wurde mir dann die Velcro-Armspange mit eingebautem Injektor gelegt, durch den mir ein Mittel unter die Haut gespritzt werden sollte, das mein sympathisches Nervensystem lahmlegen würde.
Wie mir später bewußt wurde, war es psychologisch geschickt eingefädelt, daß man mich auf der linken Seite Platz nehmen ließ: Es war seit meiner Erblindung das erste Mal, daß ich wieder auf der Fahrerseite saß.
»Darf ich Sie zum Friedhof mitnehmen?« fragte ich scherzhaft.
»Sie müssen allein reisen«, erwiderte Sorel, die, wie sich noch bei anderer Gelegenheit herausstellte, ganz und gar humorlos war. Diese kurze Orientierungsfahrt (oder ›LAD-Insertion‹; DeCandyle nahm gern Anleihen aus dem Jargon der NASA) sei, wie mir versichert wurde, absolut ungefährlich. Sie sollte mir erste Eindrücke von der LAD-Zone vermitteln und den anderen Gelegenheit bieten, meine physischen und psychischen Reaktionen auf den induzierten Tod beobachten.
Mit ihren großen, kalten Händen zog Sorel mir den Gurt über die Schulter. Dann hörte ich sie davongehen. Ich stellte mir vor, daß sie wie eine Röntgenassistentin hinter einem Bleivorhang Schutz suchte, wo ich auch DeCandyle vermutete. Das Überwachungssystem des Wagens ging leise summend in Betrieb.
»Fertig?« rief DeCandyle.
»Fertig.« Das Wort kam mir erst beim zweiten Versuch über die Lippen.
Ich spürte den Einstich im Handgelenk. »Mr. Ray? Können Sie mich noch hören?« fragte DeCandyle, dessen Stimme merklich in die Höhe gegangen war und fast so schrill wie die von Sorel klang. Ich wollte antworten, bekam aber keinen Ton mehr heraus und fragte mich warum, bis mir klar wurde,
Weitere Kostenlose Bücher