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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
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hatte, war ich gerade dabei gewesen, mein Gewehr zu reinigen. »Ich kann zwar nicht schießen, aber es gefällt mir einfach, damit herumzuhantieren. Es ist ein Geschenk der Wildhüter-Gesellschaft von Outer Banks. Ich habe ein paar Bilder für sie gemalt.«
    Sie sagte kein Wort.
    »Enten und Sand«, führte ich weiter aus. »Wie auch immer, das Ding hat eine echte Silberplattierung. Es ist eine Cleveland aus England. Achtzehnhunderteinundsiebzig.«
    Sie schaltete das Radio ein, um mich wissen zu lassen, daß sie nicht reden wollte. Der College-Sender brachte Roenchlers ›Funeral for Spring‹. Sie fuhr wie ein Henker. Die Straße nach Durham ist schmal und kurvenreich. Seit meinem Unfall war es das allererste Mal, daß ich froh war, nicht sehen zu können.
    Ich gab meiner Ex im stillen recht: Auch mir war Sorel nicht geheuer.
    Dr. DeCandyle erwartete uns voller Ungeduld und war eifrig darauf bedacht, mit der Arbeit beginnen zu können. Doch zuerst mußten wir in sein Büro gehen, um den auf Tonband gesprochenen Vertrag zu ›unterzeichnen‹. Ich verpflichtete mich zu insgesamt fünf LAD-Insertionen, absolvierbar in wöchentlichem Turnus. Die National Geographic (die ja meine Arbeit schon kannte) sollte erste Reproduktionsrechte an meinem Gemälden erhalten. Bei mir verblieben die Eigentumsrechte an allen Orginalen; außerdem wurde mir ein Anteil an der Erstverwertung garantiert sowie ein stattlicher Vorschuß.
    Ich erklärte mich einverstanden und sagte: »Auf meine Frage haben Sie immer noch nicht geantwortet. Warum muß es ein blinder Künstler sein?«
    »Nennen Sie’s Intuition«, entgegnete DeCandyle. »Jedenfalls las ich den Artikel in der Sun und sagte zu Emma, Dr. Sorel: ›Das ist unser Mann!‹ Wir brauchen einen Künstler, der sich nicht – wie soll ich sagen? – ablenken läßt durch Ansichten. Der die Intensität einer LAD-Erfahrung einzufangen vermag, ohne ständig auf visuelle Bezüge zurückgreifen zu müssen. Und offen gesagt brauchten wir jemanden mit Renommee. Der Geographic wegen, Sie verstehen.«
    »Und Sie brauchten jemanden, der verrückt genug ist, sich darauf einzulassen.«
    Sein Lachen war so trocken wie seine Hände feucht. »Sagen wir doch lieber ›abenteuerlustig‹.«
    Sorel gesellte sich auf dem Flur zu uns; gemeinsam gingen wir in das Labor, das DeCandyle ›Launch Lab‹ nannte. Am Rascheln ihrer Kleider erkannte ich, daß sie sich umgezogen hatte. Später erfuhr ich, daß sie während unserer ›LAD-Insertionen‹ NASA-typische Nylon-Overalls trug.
    Es freute mich, daß ich wieder auf der Fahrerseite Platz nehmen durfte. Diesmal schnallte sich Sorel neben mir an.
    Meine linke Hand blieb frei, doch die rechte wurde in einen übergroßen Handschuh aus steifem Gummi geführt.
    »Mit diesem Behelf, den wir übrigens Handkorb nennen, hat es folgende Bewandtnis«, sagte DeCandyle. »Er soll die beiden LAD-Reisenden enger miteinander verbinden. Wir haben nämlich herausgefunden, daß körperlicher Kontakt die gegenseitige Wahrnehmung in der LAD-Zone unterstützt. Die Bezeichnung soll ein kleiner Scherz sein und bezieht sich auf die in unserem Raum geläufige Redewendung: mit ’nem Handkörbchen zur Hölle fahren.«
    »Verstehe«, sagte ich. Dann hörte ich ein Klicken und registrierte, daß er nicht mit mir, sondern in ein Aufnahmegerät gesprochen hatte. »Wie lange wird die Reise dauern?« fragte ich.
    »Die Insertion«, korrigierte DeCandyle. »Es hat sich herausgestellt, daß es nicht zweckdienlich ist, wenn wir uns über Zeiten austauschen. Das bringt nur Verwirrung, weil objektive und subjektive Zeit sehr weit auseinanderklaffen können. Nebenbei bemerkt: Es wäre gut, wenn Sie auf eine Verbalisierung ihrer Eindrücke durchweg verzichten und sich ausschließlich malerisch dazu äußern würden. Sie werden unmittelbar nach der Rückkehr nach Hause gebracht, brauchen also nicht mehr an der Nachbereitung teilzunehmen, die Dr. Sorel und ich im Anschluß vornehmen müssen.«
    Klick.
    »Haben Sie jetzt noch Fragen…«
    Mir fiel gerade keine ein. Oder hätte ich fragen sollen: Wie viel mochte man wissen wollen über das eigene Getötetwerden?
    »Auf Wiedersehen«, sagte DeCandyle. Er trat zurück, und ich hörte, wie der Vorhang zugezogen wurde. Die Reise – Insertion – sollte also gleich beginnen.
    »Dr. Sorel, sind Sie bereit?« Mit leisem Summen ging das Überwachungssystem in Betrieb.
    Sorel sagte: »Fertig.« Ihre Hand kam im Handschuh mit der meinen in Berührung. Was mir

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