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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Und abstrakt ist das Bild auch nicht. In den besagten Träumen, da kann ich wieder sehen.«
    »Schön für dich«, sagte sie. »Übrigens, ich habe Erkundigungen über die beiden eingeholt. Ein Freund von mir arbeitet im Dekanat. Das sind gar keine Professoren. Jedenfalls nicht an der Duke University.«
    »Sie sind von Berkeley«, entgegnete ich.
    »Berkeley? Ach, das erklärt alles.«
     
    Am Montag holte mich Sorel um zehn mit ihrem Honda ab. Ich reichte ihr die Hand. Die zögerliche, flüchtige Art, mit der sie danach langte, verriet mir, daß unsere sexuelle Begegnung in einer ganz anderen Welt stattgefunden hatte. Was mir nur recht sein konnte. Ich fand den College-Sender im Autoradio, und wir lauschten der Musik von Shulgin während der gesamten Fahrt bis Durham. ›Der Totentanz.‹ Sorels Fahrstil gefiel mir immer besser.
    DeCandyle erwartete uns im Launch-Lab. »Bei dieser zweiten Insertion versuchen wir ein Stück tiefer vorzudringen«, sagte er. Klick.
    »Tiefer?« fragte ich. Was wäre tiefer als tot?
    Er antwortete mir und sprach gleichzeitig aufs Band: »Bislang haben wir nur die Ränder der LAD-Zone sehen können. Jenseits der Lichtschwelle liegt ein weiteres LAD-Gebiet. Eines mit eigener objektiver Realität, wie es scheint. Das wollen wir in der nächsten Insertion kennenlernen, von außen, ohne bis dorthin vorzustoßen.« Klick.
    Sorel trat ins Zimmer. Ich erkannte sie am Zischeln ihres Nylonanzugs wieder. Ich wurde im Wagen festgeschnallt, meine Hand in den Handschuh geführt – und ich zuckte angewidert zurück. Darin steckte irgend etwas Ekliges. Mir war, als hätte ich sie in einen Eimer voll kalter Eingeweide gesteckt.
    »Der Handkorb enthält jetzt eine zirkulierende Plasmalösung«, sagte DeCandyle. »Wir hoffen, damit einen noch besseren Kontakt zwischen unseren beiden LAD-Reisenden gewährleisten zu können.« Klick.
    »Von Nekronauten zu sprechen, wäre vielleicht zutreffender«, meinte ich.
    Er lachte nicht. Was ich auch nicht erwartet hatte. Ich steckte meine Hand in den Handkorb. Das Zeug war glitschig und zugleich klebrig. Sorels Hand schlüpfte hinterdrein. Wir berührten uns ganz unverkrampft, ja, sogar ein wenig lüstern. DeCandyle fragte: »Sind Sie bereit?«
    Und ob. Seit einer Woche hatte ich an nichts anderes mehr gedacht als an das intensive, erregende Licht der LAD-Zone. Die Apparaturen starteten mit ihrem leisen harmonischen Gesumm. All das schien endlos lange zu dauern. Die Lösung im Handschuh fing zu zirkulieren an, während ich auf die Injektion wartete, die mich aus dem Gefängnis meiner Blindheit befreien würde.
    »Reihe einundvierzig, zweite Insertion«, sagte DeCandyle. Klick.
    Tod, wo ist dein Stachel? Mein Herz pochte.
    Und setzte dann aus.
    Ich spürte mein Blut zum Stillstand kommen, verdicken, kälter werden. Mein Körper schien auseinanderzugleiten – und plötzlich war ich auf und davon, weg vom Wagen, weg von meinem Körper, hin zum Licht.
    Wie von einer Leine gezogen stieg ich auf. Es blieb mir keine Zeit, auf meinen Körper zurückzublicken oder zu den Bergen hinüber. Schneller und schneller stiegen wir in das Totenreich auf: die LAD-Zone. Ich sage wir, denn ich war ein Schatten, der einem Schatten folgte; doch zusammen waren wir ein Kranz aus Licht, das in Harmonie umeinandertanzte. Ich sehnte mich nach Sorel wie sich ein Planet nach seiner Sonne sehnt. Das Licht liebte uns, und taumelnd badeten wir in seinem süßen, endlos wonnevollen Glanz, aalten uns in vollkommener Nacktheit, die sich sogar des Körpers entledigt hatte. Ich fühlte mich, wie sich Götter fühlen müssen, wissend, daß die Welt, durch die wir zu Lebzeiten wandern, nichts weiter ist als deren weggeworfene Kleidung. Wir stiegen dem Lichtgitter entgegen, das sich nun vor uns öffnete…
    Und mit einemmal bekam ich es mit der Angst zu tun. Ein Frösteln überkam mich; mir schwante, daß da eine Tür aufging, die besser verschlossen bliebe. Das mich umgebende Licht wurde schwächer, und meine Begleitung, die mir an den Fingerkuppen gehangen hatte, war plötzlich verschwunden. Ich war allein. Ich dachte (ja, obwohl tot, ›dachte‹ ich!), daß im Labor womöglich irgend etwas schiefgelaufen war.
    Stillstand. Ich befand mich in einer neuen Dunkelheit, einer Dunkelheit, die sich von der der Blinden unterschied: Hier konnte ich irgendwie sehen. Ich war allein auf einer grauen Ebene, die sich zu allen Seiten hin bis ins Endlose ausdehnte. Aber trotz der Weite wurde mir klaustrophobisch

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