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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
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ich noch verstehen. Aber ein Gemälde? Farben?«
    »Bei der Arbeit daran weiß ich, wie’s aussieht«, antwortete ich. »Aber ich weiß es leider nicht mehr, wenn die Farbe getrocknet ist. Wenn Sie eine Erklärung wünschen: Meine Theorie ist, daß Farben Gerüche haben, die allerdings nur für ganz sensible Nasen unterscheidbar sind. Wie ein Hund, der hochfrequente Töne hört, kann ich Farben riechen. Deshalb male ich auch in Öl und nicht Acryl.«
    »Sie stimmen also nicht dem Artikel in der Sun zu, der Ihnen übersinnliche Fähigkeiten attestiert?«
    »Als Wissenschaftler werden Sie solchen Quatsch doch wohl nicht ernst nehmen.«
    »Als Wissenschaftler«, erwiderte DeCandyle, »weiß ich nicht mehr, was ich glauben soll. Aber lassen Sie uns an die Arbeit gehen.«
    Irgend etwas war anders am Hall im Launch-Lab. Man führte mich direkt zur Rollpritsche und ließ mich darauf Platz nehmen. »Wo ist der Wagen?« protestierte ich.
    »Im weiteren Verlauf der Versuchsreihe verzichten wir auf den Wagen«, antwortete DeCandyle. Ich hörte das Klicken und wußte, daß seine Worte nicht nur mir galten. »Mit der anstehenden Insertion soll erstmalig die KG, die Kaltgewebe-Kammer, eingesetzt werden, die während meines Aufenthaltes in Europa entwickelt wurde. Sie ermöglicht uns ein noch tieferes Vordringen in die LAD-Zone.« Klick.
    »Noch tiefer?« fragte ich alarmiert. Die horizontale Lage behagte mir nicht. »Indem ich länger tot bleibe?«
    »Nicht unbedingt länger«, antwortete DeCandyle. »In der KG-Kammer wird das Stammgewebe schneller abkühlen, was zu einem rascheren LAD-Eintritt führt. Wir hoffen, in der heutigen Insertion die Schwellenbarriere zu überwinden.« Klick.
    Mit ›Stammgewebe‹ war Leichnam gemeint. »Das gefällt mir nicht«, sagte ich und richtete mich auf. »Das ist nicht Teil unserer Abmachung.«
    »Unser Vertrag geht über fünf Insertionen«, erinnerte DeCandyle. »Wenn Sie allerdings abspringen wollen…«
    Just in diesem Augenblick kam Sorel zur Tür herein. Ich hörte den Nylonstoff zwischen ihren Beinen zischeln.
    »Davon habe ich nichts gesagt«, entgegnete ich. »Ich wollte nur…« Ich wußte selbst nicht mehr, was ich wollte, und legte mich wieder zurück, als sie sich an meiner Seite ausstreckte. Ich hörte, wie Schläuche angeflanscht wurden, und von der ihren geführt, glitt meine Hand in den kalten Glibber des Handschuhs. Unsere Finger kamen in Berührung und verschränkten sich ineinander – wie Teenager, die sich heimlich treffen, ein jeder mit seiner eigenen kleinen Libido.
    »Reihe einundvierzig, dritte Insertion«, sagte DeCandyle. Klick.
    Wir wurden auf der Pritsche in eine kleine Kammer gerollte. Ich spürte, wie dicht hinter meinem Kopf eine Tür zuging, hörbar nur an einem ganz leisen Klick. Ich geriet in Panik, doch Sorel drückte meine Hand. Schwer hingen in der Luft die Gerüche von Atropin und Formaldehyd. Ich wähnte mich fallen – nein, aufsteigen, mit Sorel, Hand in Hand miteinander verbunden, dem Licht entgegen. Diesmal ging es allerdings sehr viel langsamer, und ich sah unsere Körper da liegen, nackt wie am Tag der Geburt. Wir schwebten auf das Lichtgitter zu, das sich dann wie ein Lied vor uns öffnete…
    Und verschwand.
    Um uns herum erstreckte sich graue Düsternis.
    Wir hatten die Andere Seite erreicht.
    Ich fühlte nichts. Das füllte mich aus. Ich war gefroren.
    Sorels Gegenwart hatte jetzt eine Form; sie, die einzig aus Licht bestanden hatte, war nun gänzlich Fleisch. Es ist mir unmöglich, beschreibende Worte zu finden, obwohl ich es so häufig gemalt habe. Sie hatte Beine, doch die waren seltsam gegliedert, Brüste, aber nicht jene, die meine Finger und Lippen kannten; ihre Hände waren derb, das Gesicht blank und knochenweiß wie die Hüften sowie das, was ich nur als ihren Sinn zu bezeichnen vermag. Sie rückte ab in graue Ferne, und ich folgte, nach wie vor an ihrer ›Hand‹.
    Ich spürte – wußte, daß alles andere bloß Traum gewesen war, daß ich erst jetzt und hier Realität erlebte. Der mich umgebende Raum war leer und endlos grau. Darüber hinaus gab es nichts; alles andere war erträumt.
    Ich trieb dahin, glaubte wieder in einem Körper zu stecken, doch der stand mir nicht zu Gebote. Über Stunden, Jahrhunderte, Ewigkeiten trieben wir durch eine Welt, die, obwohl so klein wie ein Sarg, scheinbar ohne Ende war. Im Mittelpunkt befand sich ein Kreis aus Steinen. Ich folgte Sorel, die darauf zustrebte. Jemand oder irgend etwas hielt sich

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