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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
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darin auf.
    Warten.
    Sie durchquerte den Steinring und zog mich hinter sich her. Ich sträubte mich, wich entsetzt zurück, denn ich hatte Stein berührt. Hier schien nichts konkret, und doch hatte ich Stein berührt. Schlagartig dämmerte mir, daß ich wach war, denn ich konnte nicht mehr sehen; um mich herum war alles schwarz.
    Neben mir lag ihr Körper. Ihre tote Hand hielt meine umklammert. Bislang war ich immer nach Sorel aufgewacht oder zurückgeholt worden. Zaghaft, vorsichtig langte ich mit der linken Hand nach oben, bis ich unter den Deckel des Sarges stieß, worin ich zu liegen schon geahnt hatte. Er bestand aus Porzellan oder Stahl, nicht aus Stein. War aber kalt wie Stein.
    Ich wollte schreien und rang nach Luft, doch ehe ich einen Ton herausbekam, durchfuhr mich ein Schock, und ich stürzte in eine andere, dunklere Dunkelheit.
     
    »Was Sie da ertastet haben, war die Decke der KG-Kammer«, erläuterte DeCandyle. »Darin ist es möglich, über längere Zeit in der LAD-Zone zu verbleiben und auf die Andere Seite überzuwechseln, ohne daß das Gewebe Schaden nimmt.« Ich hörte diesen Begriff zum ersten Mal und wußte doch sofort, was damit gemeint war.
    Jemand hielt meine rechte Hand gepackt. Sorel. Sie war immer noch tot. Ich lag auf der Pritsche; sie wackelte auf ihren Rollen, als ich mich aufzurichten versuchte.
    »Ehe ich an den Deckel stieß, habe ich Stein berührt.« Die Erinnerung daran ließ mich erschaudern.
    DeCandyle fuhr fort: »Es gibt anscheinend in der LAD-Zone Bereiche, deren Zugänglichkeit abhängt von residualen Feldspannungen im Stammgewebe.« Ich wartete auf das Klicken, das aber ausblieb, und ich registrierte, daß er ausschließlich mit mir sprach. »Es gibt eine magnetische Polarität im Körper, die noch mehrere Tage nach Eintritt des Todes Bestand hat. Wir wollen herausfinden, was passiert, wenn diese Spannung nachläßt. Die KG-Kammer hilft uns, dieser Frage nachzugehen, ohne auf das Einsetzen der Nekrose warten zu müssen.«
    Nekrose. »Es gibt demnach die Zustände tot und töter.«
    »So kann man sagen. Kommen Sie, ich fahre Sie nach Hause.«
    Sorel hielt immer noch meine Hand, und ich mußte mich mit Gewalt aus ihren starren Fingern befreien.
     
    Ich konnte nicht einschlafen. Die Schrecken des Grauen Reiches (so betitelte ich eins meiner Gemälde) hinderten mich daran. Ich kam mir vor wie jemand, der den Amazonas zu durchqueren versucht und auf halber Strecke plötzlich so viel Angst bekommt, daß er sich weder vor noch zurück wagt, denn er weiß: Überall lauert schreckliche Gefahr.
    Ich sehnte mich nach Sorel. Es heißt von uns Blinden, daß wir Connaisseure der Masturbation sind, weil wir eine so große Vorstellungskraft entwickelt hätten. Vielleicht. Danach schaltete ich das Licht ein und versuchte zu malen. Ich arbeite immer bei Licht. Der schöpferische Vorgang ist eine Kollaboration des Künstlers mit seinem Material. Ich weiß, daß Farbe Licht liebt. Die Leinwand hat es vermutlich mindestens gern.
    Doch es half nichts. Ich konnte nicht arbeiten. Erst als es draußen dämmerte und die Vögel zu singen begannen, wurde mir bewußt, was mich quälte.
    Ich war eifersüchtig.
     
    Meine Ex kam einen Tag früher als sonst (wie ich glaubte) und lieferte die Mikrowellenkost ab. »Wo bist du gewesen?« fragte sie. »Ich habe dich den ganzen Tag über anzurufen versucht.«
    »Am Montag war ich wie immer in der Uni«, antwortete ich.
    »Ich meine Dienstag.«
    »Gestern?«
    »Heute ist Donnerstag. Du hast einen Tag verloren. Wie auch immer, mit diesem anderen Namen, den du genannt hast, haben wir ins Schwarze getroffen. Noroguchi war tatsächlich ordentlicher Professor an der Uni von Berkeley, genauer gesagt, an der medizinischen Fakultät. Das war er bis zu seiner Ermordung.«
    Ich hörte, wie sie wieder in meinen Arbeiten herumstöberte. Daß sie in Erwartung einer Antwort von mir auf ihre typische Art vor sich hin grinste, konnte ich mir bildlich vorstellen.
    »Willst du nicht wissen, wer ihn umgelegt hat?«
    »Laß mich raten«, sagte ich. »Philip DeCandyle?«
    »Meine Rede: Du hättest Bulle werden sollen«, erwiderte sie. »Ich hatte gehofft, dich überraschen zu können. Die Verteidigung hat auf fahrlässige Tötung plädiert und ist auch damit durchgekommen. DeCandyle mußte für sechs Jahre in den Bau. Sein Schreckgespenst war zwar an der Tat beteiligt, kam aber ungeschoren davon.«
    »Sein Schreckgespenst?«
    »Diese Frau Doktor. Wußtest du, daß ihre Titten

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