Die Baeren entdecken das Feuer
argumentieren, ihr Leben sei in Gefahr. Aber ist das wirklich wahr? Ein weiser Mann gab einmal zu bedenken, daß Menschen, die nur teilweise gelebt haben, nie wirklich sterben können.
Lesen Sie es mir von den Lippen ab: Es sind Teilmenschen.
Es gab immer wieder Spekulationen, wonach sie möglicherweise aus einem Paralleluniversum kommen. Aber die Wissenschaft hat bewiesen, daß dies nicht der Fall ist, und selbst wenn es doch der Fall sein sollte, wäre es mit Sicherheit kein wichtiges Universum.
Zwangsläufig kommt die Frage auf, wovon sie sich eigentlich ernähren. Lädt man Teilmenschen zum Essen ein, ist ihre gebräuchlichste Ausrede, gerade erst gegessen zu haben.
Auch die Art und Weise ihres Erscheinungsbildes ist häufiger Anlaß zu wildesten Spekulationen. Das groteske, oftmals kaum vorzeigbare Äußere vieler Teilmenschen kann Diskussionen provozieren. Insbesondere unter Leuten, die auf der Suche nach Häßlichem sind, um darüber zu reden. Solche Debatten sollten auf ein Minimum beschränkt werden.
Straßenverkehr. Es geschieht selten, daß Teilmenschen ein Auto steuern. Die Kontrollen eines Fahrzeugs – selbst mit Automatik-Getriebe (die meisten Autos verfügen heutzutage darüber!) – schrecken sie ab. Mietwagen erst recht.
Teilmenschen können Staus verursachen, nur: Als Leslie R. auf einen Behälter in der G… Avenue von M… zufuhr, der sich auf seiner Spur befand, war sie/er höchst verblüfft, als ihr/ihm plötzlich ein Arm zuwinkte, der aus dem Behälter ragte. Sie/er sagte sich, daß der Behälter, nach seiner Größe zu schließen, unmöglich einen ganzen Menschen beherbergen konnte. Also behielt sie/er ihre/seine Geschwindigkeit und Richtung bei und machte nicht einmal Anstalten, die Spur zu wechseln. Immerhin hätte sie/er durch eine zu schnelle Reaktion einen Unfall verursachen können.
Um es kurz zu machen: Leslie ließ sich durch die aufgeregt winkende Hand nicht von seinem Kurs abbringen und fuhr den Behälter über den Haufen.
Mitunter wollen uns Teilmenschen glauben machen, sie seien ganze Menschen. Sie weisen sämtliche – zumindest die augenfälligsten – visuellen Aspekte auf, die man erwartet. Das, was ihnen dennoch fehlt, kann irgendein inneres Organ sein oder etwas, das dem Auge nicht auffällt. (Oder den Augen bei uns Ganzmenschen.) Deshalb empfiehlt es sich, bei jedem aufdringlichen Unbekannten davon auszugehen, daß es sich um einen Teilmenschen handelt.
Reisen. Nun, Teilmenschen müssen den vollen Preis zahlen, obwohl sie selten die ganze Strecke zurücklegen. Das schränkt ihre Reiselust ein.
Die Erfahrungen der Polizei mit Teilmenschen sind geteilt. Ein paar Hiebe sind manchmal angebracht, eine Festnahme lohnt selten.
Geld. Teilmenschen haben gewöhnlich etwas Geld, werden Sie aber mit Sicherheit anschnorren. Lehnen Sie ab, wenn sie Ihnen in der Untergrundbahn ihre Karten aufzudrängen versuchen.
In Menschenmengen stehen sie manchmal so geschickt, daß sie zu dritt oder zu viert wie eine einzige vollwertige Person wirken, manchmal auch wie ein sich umarmendes Paar. Damit ist aber das Maximum ihrer Kooperation erreicht.
Nicht umsonst schreibt man das m in ›Teilmenschen‹ klein.
Falls sie darauf bestehen, sich zu vermehren, werden sie unweigerlich auch nur Teilmenschen (Teilkinder) zur Welt bringen. Diese Kinder spielen so gut wie nie.
Manchmal geben sie vor, Kriegsbeschädigte zu sein, wenn sie entsprechende Deformierungen aufweisen oder ohne eine stabile Form auskommen müssen.
Sie haben Schwierigkeiten beim Rechnen (weil sie selbst mit weniger als eins anfangen müssen zu zählen). Ihre Ideen werden häufig konträr sein zu unseren. Und ihre ›Sprache‹ ist mehr ein Puzzle aus Satzfetzen und unzulänglichen Bemühungen. Ein simples Hallo kann ein lautes Schwadronieren auslösen.
Ein aufgeregtes Winken mit der Hand ist kein freundlicher Gruß, sondern das zwanghafte Bemühen, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Tun Sie sich und der Gesellschaft einen großen Gefallen, indem Sie nicht darauf hereinfallen. Sagen Sie nein zu Teilmenschen.
Ich bedanke mich vielmals.
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Originaltitel: ›PARTIAL PEOPLE‹ • Copyright © 1993 by Mercury Press, Inc. • Erstmals veröffentlicht in: ›The Magazine of Fantasy and Science Fiction‹, Dezember 1993 • Copyright © 1998 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München • Aus dem Amerikanischen übersetzt vom
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