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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Manager.
    »Sie wollen doch hier auf der Promenade keine Schatten«, erwiderte Carl, der, wenn er verkaufte, auf alles eine Antwort wußte. »Und Sie brauchen auch nicht zu fürchten, daß Kunden durch die Bäume hindurchlaufen« – er fuhr mit der Hand durch den Stamm – »und die Darstellung beeinträchtigten könnten. Dafür ist dieser Zaun da, den meine reizende Assistentin gerade aufbaut. Fertig, Gail?«
    Ich stellte zwei Segmente weißen Lattenzauns neben den Baum und ließ sie ineinanderrasten.
    »Das ist aber kein Halo«, sagte der Manager.
    »Nein, Sir. Solider Kunststoff«, antwortete Carl. »Und er kann weit mehr, als bloß Leute davon abhalten, durch die Bäume zu gehen oder zu fahren. Die Latten bestehen aus hochentwickelte Umweltsensoren. Made in Singapur. Aufgepaßt!«
    Ich wandte mich dem Zaun zu, und weil kein Wind wehte, blies Carl auf eine der Latten. Die Blätter am Baum fingen zu wippen und zu winken an. Er bedeckte eine Latte mit der Hand, und über die Baumwipfel fiel ein tiefer Schatten. »Sie reagieren auf tatsächliche Wind- und Lichtverhältnisse, absolut realistisch. Und jetzt sehen Sie mal, was passiert, wenn’s regnet…«
    Das war mein Stichwort. Ich reichte Carl einen gefüllten Pappbecher, worauf er wie ein segnender Priester mit den Fingerspitzen Wasser gegen die Latten sprenkelte. Die Blätter der Bäume glänzten feucht. »Wir nennen sie Immortellen«, wiederholte Carl stolz.
    »Und was ist mit den Vögeln?«
    »Vögel?«
    »Ich habe gelesen, daß sich Vögel irritieren lassen und auf nichtvorhandenen Zweigen zu landen versuchen oder so ähnlich«, sagte der Manager. »Ich weiß nicht mehr so genau.«
    Carls ewiges Lachen wirkte plötzlich traurig. »Wann haben Sie denn zum letzten Mal einen Vogel gesehen?«
     
    Mittwoch war der Tag, den Carl seinem Meisterstück widmete: dem Eichenhain an der Princeton Universität. Das sind nicht etwa Ailanthus-Eichen oder sonstige Verwandte, sondern ausgewachsene Stieleichen aus festem Holz, die auch nicht etwa in Töpfen stecken, sondern direkt aus dem ›Boden‹ wachsen – einem 0,09 Hektar großen Ökotop, das Kolloid-Reservoir heißt, durchtränkt mit einer elektrolytischen Lösung aus Arborpryzinamin Plus, dem wirksamsten (und teuersten) IV Baumstabilisator, der je entwickelt wurde. Das Kolloid ist so fest, daß die Bäume darin stehen, ohne zusätzlich gestützt werden zu müssen – und das bei einer Höhe von vierzehneinhalb Metern. Der Hain besteht aus insgesamt sieben Eichen, hat also bloß zwei weniger als der Staatsforst von Windham. Princeton ist die einzige Privatinstitution in New Jersey, die sich so viele organische Bäume leisten kann.
    Aber irgend etwas stimmte nicht. An den Zweigen hing kein einziges Blatt mehr.
    »Code Sieben, Gail«, sagte Carl mit einem an Panik grenzenden Oberton in der Stimme. Schnellstmöglich humpelte ich den Hang hinauf und inspizierte die Tanks im Keller des Gebäudes, wo die Geisteswissenschaften untergebracht sind. Doch die waren noch fast voll, und die Lösung in genau richtiger Konzentration. Was blieb zu tun? Bäume sind nicht wie Gras; es hatte keinen Zweck, den IV Pumpendruck zu erhöhen.
    Carl drückte die Hupe. Ich beeilte mich, zurück zum Wagen zu kommen, und dann fuhren wir los, um den Pedell zu suchen. Der war nicht in seinem Büro. Wir fanden ihn schließlich vor dem Audimax, wo er einer Truppe aus Bucks County dabei zusah, wie sie der Efeubegrünung der Nordwand ein Scan-in verpaßte. Der Efeu war noch nicht ganz tot; ich konnte sein dünnes braunes Jammern hören, als die Software die sterbenden Ranken einzeln abtastete und gegen leuchtendes Grün austauschte. Anschließend wurde das alte Zeug mit einer langen Wandharke heruntergezogen und in einen Sack gestopft. Bei mir machten sich Kopfschmerzen bemerkbar.
    »Ich war soeben im Hain«, sagte Carl verärgert. »Seit wann sind die Eichen so kahl, wie sie jetzt sind? Und warum bin ich nicht früher verständigt worden?«
    »Ich dachte, es wären automatische«, entgegnete der Pedell. »Und schön ruhig bleiben; niemand macht Ihnen einen Vorwurf.«
    In dem Efeupaket enthalten waren Schmetterlinge, die unaufhörlich davor herumflatterten.
    »Darum geht’s auch gar nicht«, sagte Carl. Wütend auf den Pedell, warf er den Rückwärtsgang ein. »Setz dich rein, Gail«, forderte er mich auf. »Wir fahren zurück in den Hain. Ich fürchte, wir haben’s hier mit Code Sieben zu tun. Da kann nur noch der Wummich helfen.«
    Der Wummich ist

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